Jazz Famoser Kehraus bei den St. Wendeler Jazztagen

St. Wendel · Sag mir, wo die Frauen sind – das Jazzfestival erfreute zum Abschied mit edlen Klängen, die vor allem von Männern kamen.

 Saxofonist und Stargast Gilad Atzmon am Sonntag beim St. Wendeler Festival.

Saxofonist und Stargast Gilad Atzmon am Sonntag beim St. Wendeler Festival.

Foto: Kerstin Krämer

Was für das kürzliche Kleinkunstfestival St. Ingberter Pfanne galt, das gilt nun auch für die St. Wendeler Jazztage 2017: insgesamt eine feine Sache, aber eine üble Frauenquote! Zum sonntäglichen Abschluss waren mit Baritonsaxofonistin Kerstin Theis und Sängerin Isabel Mlitz immerhin zwei Musikerinnen auf der Bühne des erneut gut besuchten Saalbaus zu erleben. Die beiden jazzen bei der St. Wendeler Big Band Urknall, bei der angesichts von nur zwei weiblichen Mitgliedern ebenfalls akuter Frauenmangel zu konstatieren ist. Erstaunlich, weil gerade in der regionalen Big Band-Landschaft in den vergangenen Jahren nicht mehr nur Vokalmikrofon und Saxofonsatz, sondern auch andere Positionen von Jazzerinnen erobert wurden und das ursprünglich als Schulprojekt gestartete Ensemble längst jedermann und jederfrau offen steht: Mittlerweile vereint die Amateur-Kapelle mehrere Generationen an Musikern.

Zum 35-jährigen Jubiläum schenkte sich Urknall nun einen Auftritt als Finale des Festivals, zu dem obendrein ein Stargast anreiste: Der Ausnahme-Saxofonist Gilad Atzmon hatte sechs eigene, für Big Band und Saxofon-Solo arrangierte Titel im Gepäck, die im zweiten Teil des Konzerts ihre Uraufführung erlebten. Zum Eingrooven gehörte das Podium Urknall alleine, mit Swing-Nummern von Cole Porter, Chris Walden, Bert Joris und aus Benny Carters „Kansas City“-Suite – Gelegenheit, beachtliche Solisten aus den eigenen Reihen zu präsentieren und Big Band-Leiter Ernesto Urmetzer für sein jahrelanges ehrenamtliches Engagement zu danken.

Nach einer Warmspielphase, während derer sich auch der Saal-Sound merklich zurecht ruckelte, knallten Uptempo-Titel dann tatsächlich ganz urig, während Balladen betörend coolen bis schwülen Flausch entwickelten. Und nach der Pause meinte man gar, bestens präparierte Profis vor sich zu haben, obwohl es im Vorfeld nur eine gemeinsame Probe mit Atzmon gegeben hatte. Dessen folkloristisch wie klassisch geprägte Modern Jazz-Kompositionen bestachen durch ihre prägnante Handschrift: Neben eingängigen Motiven flocht der in Jerusalem geborene Wahl-Brite etliche harmonische Reminiszenzen an seine israelische Heimat ein und ließ auch Ravels „Bolero“ ungewohnt orientalisch daher tänzeln. Als Solist imponierte Atzmon wie erwartet mit vitaler Intensität und seinem ungeheuer wuchtigen, farbenreichen Ton, der alles zu dominieren schien, selbst wenn er Sopran- und Altsax lyrische Nuancen entlockte. Ein mit stehendem Beifall gefeierter Kehraus.

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