Ewald Arenz liest am 16. Oktober in Saarlouis aus „Der große Sommer“ „Dieser eine Sommer, in dem sich alles ändert“

Saarbrücken · In seinem Buch „Der große Sommer“ behandelt Bestseller-Autor Ewald Arenz („Alte Sorten“, „Urlaubsliebe“) mit leichter Hand die großen Themen - Leben, Liebe, Tod. Aus seinem anrührenden Buch liest er am Sonntag, 16. Oktober, in Saarlouis.

Ewald Arenz liest am Sonntag in Saarlouis.

Ewald Arenz liest am Sonntag in Saarlouis.

Foto: Ewald Arenz

„Es war dieser eine Sommer, wie es ihn wahrscheinlich nur einmal im Leben gibt“, sinniert der erwachsene Friedrich, „dieser eine Sommer, in dem sich alles ändert.“ Den hat Friedrich einst erlebt, vor einigen Jahrzehnten, zu einer Zeit, als Blue Curacao mit Orangensaft ein beliebtes grünliches Getränk der Jugend war, als gelbe Telefonzellen an der Straße standen, nicht in Museen, und als man noch „Untersekunda“ sagte und nicht prosaisch „Zehnte Klasse“.

Dieser Friedrich, dem sein Erschaffer, der Schriftsteller Ewald Arenz, den schönen Schriftsteller-Nachnamen Büchner kredenzt hat, ist der Erzähler von „Der große Sommer“ – einem Band, der mit leichter Hand die schweren Themen behandelt: die Liebe, den Tod, das Leben. Letzteres würde der junge Friedrich, meist Frieder genannt, gerne ganztätig intensiver zelebrieren, aber daran hindert ihn die Schule: „Dort draußen war alles. Hier drin war gar nichts“, grübelt er im Klassenraum. Mit den Sommerferien öffnet sich aber kein Tor zur Freiheit; seine Noten sind so schlecht, vor allem in Latein und Mathematik schwächelt er, dass er ohne bestandene Nachprüfung nicht in die Zehnte versetzt wird. Und so reisen die Eltern ohne Frieder in den Urlaub, und er muss für die Prüfung lernen; untergebracht ist er bei seiner geliebten Großmutter und seinem herzlich ungeliebten Großvater, der ihn mit lateinischen Sprichwörtern und eisigen Bonmots über Welt und Kultur weiterzubilden versucht: „Tschaikowksy! Der Schlagerkomponist des neunzehnten Jahrhunderts.“ Oha. Diese sechs Wochen drohen, eine Ewigkeit zu dauern.

Rettung in der Not sind die Nachmittage mit seinem besten Freund Johann und seiner Schwester Alma, mit der Frieder eng verbunden ist. Bevorzugt im Schwimmbad (einmal auch nachts) verbringt das Trio seine Freizeit, eine Zeit des wohligen Abhängens, aber auch der inneren Unruhe und Unsicherheit – wohin soll es denn gehen im Leben, das endlos scheint und dessen kommende Veränderungen ebenso verheißend wie beunruhigend vor einem liegen? Eine diese Veränderungen lernt Frieder auf dem Siebeneinhalbmeter-Sprungturm kennen – Beate. Grüne Augen, flaschengrüner Badeanzug und eine Vorliebe für Bossa Nova – was der nur bedingt weltläufige Friedrich für eine Band hält.

Gefühlvoll und anrührend

Ewald Arenz liest in Saarlouis aus "Der große Sommer"
Foto: Dumont

Viel geschehen wird in diesem Sommer, den Autor Arenz auf 317 Seiten gefühlvoll und sehr anrührend beschreibt – man wird vielleicht nicht ganz trockenen Auges durch dieses Buch kommen. Szenen wie ein Schwimmbadbesuch im prasselnden Regen oder auch das erste intime Zusammensein von Friedrich und Beate sind wunderbar sinnliche Passagen. Thematisches Neuland ist diese Sommergeschichte zwischen langsam schwindender Jugend und dem ersten Erwachsensein nicht, „coming of age“ würde man es neudeutsch wohl nennen; aber wie Arenz, der den Jahrgang 1965 mit Frieder teilt, dies alles erzählt und wie er seinen plastischen Figuren neue Schattierungen verleiht, ist eine Freude. Am meisten vielleicht nicht einmal bei der Liebesgeschichte zwischen Frieder und Beate, sondern bei der zwischen Friedrichs Großmutter und seinem Stief-Großvater. Die lernten sich einst nicht im geheizten Freibad kennen, sondern in einem zugigen Lazarett 1948: sie mit einer Nierenbeckenentzündung, er mit einer Chefarzt-Aura, die die Oma einst in ihrem Tagebuch mit „mein ewiges Wunschbild von einem gottähnlichen Menschen“ verglich. Ganz so göttlich war die sich anschließende Ehe zwar nicht, aber doch gut genug für die beiden Angeschlagenen, denen der erlebte Krieg wohl lebenslang in den Kochen steckt. Liebe sei „immer beides zugleich“, sagt die Großmutter, „das größte Glück und die größte Katastrophe“. Eine harsche These.

Während Frieder unerlaubt die Tagebücher der Oma liest, was ihm später eine massive großmütterliche Ohrfeige einbringt, und mehr Zeit mit seinem Großvater verbringt („Unordnung nahm er persönlich“), wächst in ihm das Verständnis für eine sehr komplexe, manchmal widersprüchliche Beziehung – das Allzumenschliche eben.

Über diesem Sommer schwebt auch der Tod: Einige Kapitel beginnen mit Gedanken des Friedrichs von heute, der ein Grab in seiner alten Heimatstadt sucht – Arenz lässt lange spannungsvoll in der Schwebe, um welches Grab es sich handelt. Eine der eindrücklichsten Passagen spielt in einem Seniorenheim, wo Friedrich, der seine dort arbeitende Schwester besucht, den Tod einer Frau miterlebt – friedlich und schmerzlos ist der zwar, aber die Endgültigkeit ist ein Schock für Friedrich. Es wird nicht der einzige Todesfall bleiben in „Der große Sommer“, in dem die Ahnung wächst, dass hinter dem Schwimmbad eine bisher unerforschte Welt liegt, die man ebenso mit Fernweh herbeisehnt wie mit einer gewissen Furcht betrachtet. Das Leben wird größer, aber auch schwieriger. „Alles hing mit allem zusammen“, bedenkt Friedrich an einer Stelle. „Wenn man anfing, darüber nachzudenken, wurde es unheimlich.“

Ewald Arenz: Der große Sommer. Dumont, 317 Seiten, 20 Euro.
Lesung: Ewald Arenz liest am 16. Oktober, 11 Uhr, im Theater am Ring in Saarlouis.
Infos: www.bock-seip.de

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