EU will Urheberrecht reformieren

Straßburg · Die Europäische Union will die Rechte von Künstlern, Autoren und Medienhäusern gegenüber Internetkonzernen stärken. Im Kern geht es um die faire Vergütung von urheberrechtlich geschützter Arbeit aller Art.

 Das Urheberrecht im Netz ist schwer durchzusetzen. Foto: Fotolia

Das Urheberrecht im Netz ist schwer durchzusetzen. Foto: Fotolia

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Netzaktivisten nennen es "Gift für die freie Rede der Europäer". Zeitungsverlage erhoffen sich endlich ein Instrument zur Sicherung "von aufwendig produzierten Artikeln, Texten und Fotos": das neue Urheberrecht der EU. Gestern präsentierte Digital-Kommissar Günther Oettinger den lange erwarteten Vorschlag, dessen Grundidee schon zuvor Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zusammengefasst hatte: "Ich möchte, dass Journalisten, Verlage und Urheber eine faire Vergütung für ihre Arbeit erhalten. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob ein Werk im Studio oder im Wohnzimmer entstanden ist, ob es offline oder online verbreitet wird, ob es über einen Drucker vervielfältigt oder zu kommerziellen Zwecken ins Netz gestellt wird."

Die EU-Pläne sind ehrgeizig: Online-Plattformen wie You-Tube sollen künftig mit einer speziellen Software nach rechtlich geschützten Werken von der Musik über Filme bis hin zu Zeitungsbeiträgen suchen. Die Position der Verleger gegenüber Suchmaschinen wie Google wird gestärkt. Der Konzern soll sich an Abgaben, die den Autoren, Musikern oder Filmemachern zugutekommen, beteiligen. Das Geld würde über die Gesellschaften zur Rechteverwertung an die Künstler zurückfließen. "Die Verlage werden zum ersten Mal juristisch als Rechteinhaber anerkannt", sagte Oettinger, "und so besser in die Lage versetzt, über die Verwendung ihrer Inhalte mit Online-Diensten zu verhandeln, die diese Inhalte nutzen oder Zugang zu ihnen gewähren."

Beim Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger begrüßte man die Initiative aus Brüssel: "Täglich entstehen in europäischen Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen Tausende aufwendig produzierte Artikel, die im Internetzeitalter aber in Sekundenschnelle von Dritten ausschnittweise oder komplett übernommen, verwertet oder vermarktet werden können", erklärte der Branchenverband. Bisher stand man dieser Praxis rechtlos gegenüber.

Netz-Spezialisten kritisieren den Vorschlag allerdings heftig, weil die EU Freiräume für den Schulbetrieb, für Blinde und andere Menschen mit einem Handicap sowie die Forschung möglich machen will. "Zu den bestehenden 22 Ausnahmegenehmigungen kommen nur weitere hinzu", heißt es in einer Stellungnahme von Netzpolitik.org. Schon jetzt sei das Gerede vom einheitlichen digitalen Binnenmarkt eine Floskel, bei der "Urheberrechtler einen Bauchkrampf vor Lachen" bekämen. Tatsächlich zeigt der Blick in die nationalstaatlichen Regeln eine Fülle von Lücken, die auch der neue Entwurf nur unzulänglich beseitigt: Von Skandinavien über Großbritannien und Frankreich bis nach Italien reicht die Länderkette, die großzügige Sonderregelungen haben. Deutschland, Polen sowie weitere Ost-Staaten verhalten sich deutlich restriktiver, wenn es um die Nutzung urheberrechtlicher Werke für die Reproduktion, für das Fotokopieren oder die Nutzung in Pressespiegeln geht.

Für den Verbraucher aber soll es auch konkrete Verbesserungen geben. So will die Kommission erreichen, dass Kunden von Abo-TV-Sendern und Streaming-Musik-Diensten die Angebote künftig auch außerhalb des eigenen Landes ungeschmälert nutzen können. Bereits bestehende Regeln zur Sicherung der Rechte von Künstlern, Darstellern und Autoren, die allerdings nur für die Übertragung via Kabel oder Satellit gelten, will Brüssel nun auch auf das Internet anwenden. Damit hätten die User endlich auch im Urlaub Zugriff auf ihre heimischen Film-und Musik-Datenbanken.

Meinung:

Brüsseler Lehren für uns alle

Von SZ-Redakteur Christoph Schreiner

Der vorgelegte Entwurf für eine EU-Urheberrechtsnovelle ist derart komplex, dass sich ohne Detailstudium der 182-seitigen Vorlage nicht seriös dazu Stellung nehmen lässt. Er tangiert so viele Verwertungsbereiche und Berufsgruppen, dass vorschnelle Bewertungen sich verbieten. Wozu dann dieser Kommentar? Weil die Brüsseler Reformpläne Grundsätzliches verdeutlichen: 1) Keine EU-Initiative kommt, will sie Gesetzeskraft gewinnen, um nationale Ausnahmeregelungen herum. So ist es auch diesmal. 2) Auch wenn Politik heute viel mit der Vermarktung von Interessen zu tun hat und daher zu Vereinfachungen neigt, so ist sie im Kern doch das genaue Gegenteil: nämlich eine äußerst schwierige Materie. 3) Im heutigen Netzzeitalter, das mehr Infos denn je bereitstellt, heißt das: Etwas Selbststudium muss der Bürger leisten, will er mündig bleiben.

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