Es lebe der Totentanz

Mersch · Jean Delvaux ist ein Meister collagierter Künstlerbücher. Das Literaturarchiv in Mersch widmet Delvaux dessen bislang größte Einzelschau. Wer ein Herz für Buchkunst oder Dada hat, sollte dringend hin.

 Ein Schaukasten Jean Delvaux', 1949 in Luxemburg geboren. Foto: CLM

Ein Schaukasten Jean Delvaux', 1949 in Luxemburg geboren. Foto: CLM

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Alte Postkarten, Rechnungen, handgeschriebene Briefe, vergilbte Fotografien, Butterpapiertüten, Klebetattoos, Fahrscheine, Comics, Billets, Schachteln, alte Magazine - alles, was er auf Flohmärkten an Geschriebenem und Gedrucktem finden und künstlerisch recyclen kann, hortet Jean Delvaux. Daraus entstehen seine Künstlerbücher, naturgemäß Unikate. Das darin Kombinierte lebt von der feingliedrigen Neugestaltung längst vergangener Ausdruckspartikel, ausgehauchter Lebensspuren, abgelegter Zeitbruchstücke. So entsteht eine Art Totentanz-Komposition. "Du nimmst dir deinen Teil aus dem Chaos und ordnest ihn. Das ist das Befriedigende an einer Sammlung", wird Delvaux' im "Archivboten" des in Mersch beheimateten großherzöglichen Centre national de littérature zitiert.

In Mersch sind Delvaux' hinreißende Künstlerbücher derzeit in einer Ausstellung zu sehen, die das Archiv mit einer reich bebilderten, ebenso exzellent editierten wie gedruckten Sondernummer des "Luxemburger Archivboten" in sieben Tabloidausgaben dokumentiert. Delvaux' Collagen rhythmisieren, wie man das aus dem Dadaismus kennt, bildliche und graphische Elemente. Wobei er die Zweidimensionalität und Linearität seiner Künstlerbücher teils dadurch aufbricht, dass er sie im Stile von Pop-Up-Büchern mittels Auffaltungen verräumlicht.

Delvaux, der 1949 in Luxemburg geboren wurde, heute dort lebt und lange Jahre als Lehrer seinen Lebensunterhalt verdiente, ist ein manischer Sammler und begnadeter Collagist. Mersch zeigt seine Künstlerbücher und Schaukästen über fünf Säle hinweg und widmet ihm seine bis dato größte Einzelausstellung. Als Leitfaden dienen die fünf platonischen Körper (allesamt regelmäßige Polyeder), denen Delvaux Eigenschaften, Farben, Lebewesen und Elemente zuordnet. So entsteht gewissermaßen eine eigene, höhere Ordnung in Delvaux' Bilder-Labyrinth.

Bis 28. April. Mo-Fr: 9-17 Uhr.

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