ballett-Legende wird 70 Er dreht perfekte Pirouetten – und Filme

New York · Mikhail Baryshnikov gilt als einer der besten Balletttänzer der Welt und war auch als Schauspieler gefragt. Jetzt wird er 70.

(dpa) In einem Alter, in dem andere Ballett-Größen seit mindestens 30 Jahren im Ruhestand sind, tanzt Mikhail Baryshnikov einfach weiter. „Ich liebe es aufzutreten. Ich werde das so lange machen, wie ich meiner Meinung nach etwas Bedeutendes auf der Bühne abliefern kann“, sagte er jüngst in einem Interview. „Egal was es ist: Gehen, sprechen, etwas bewegen, mich bewegen, mit mir selbst sprechen.“

Nur enge weiße Strumpfhosen gehören, vor allem seit mehreren Operationen am Knie, nicht mehr dazu. Baryshnikov, der am Sonntag 70 Jahre alt wird, hat sich inzwischen hauptsächlich dem modernen Tanz verschrieben. „Das lässt dein Herz weiter schlagen. Das hält dein Blut am Laufen.“ Er tanze täglich. „Auch mit Yoga habe ich angefangen und ich gehe ins Fitnessstudio, um meine Muskeln und vor allem meinen Oberkörper zu definieren.“

Seit 2005 tritt er auch immer wieder in seinem eigenen „Baryshnikov Arts Center“ im New Yorker Stadtteil Hell‘s Kitchen auf, wo sonst vor allem junge Künstler üben und auftreten können. „Die wirtschaftlichen Bedingungen und die hohen Mieten in dieser Stadt machen es jungen Künstlern sehr schwer. Ich will ihnen dabei helfen, in unserer Branche erfolgreich zu sein.“ Auch die Eintrittspreise hält Baryshnikov Manhattan-untypisch niedrig. Daneben spielt er Theater, jüngst beispielsweise gemeinsam mit Hollywood-Schauspieler Willem Dafoe in dem Stück „The Old Woman“ an der Brooklyn Academy of Music, Regie führte Robert Wilson.

Baryshnikov gilt unter Experten zwar schon lange als einer der besten Balletttänzer überhaupt, aber wirklich weltbekannt machte ihn erst ein Date mit Carrie Anfang der 2000er Jahre: Als romantischer Künstler Alexandr Petrovsky in der US-Erfolgsserie „Sex and the City“ spielte Baryshnikov für Carrie (Sarah Jessica Parker) Klavier, las Gedichte vor, schenkte ihr Designerkleider, tanzte mit ihr auf der Straße und im Fastfood-Laden und verzauberte so gleichzeitig Millionen von Zuschauerinnen. „Meine Freunde haben mich gefragt, warum ich das mache. Es war einfach eine sehr ausgefallene Herausforderung.“

Baryshnikovs Horizont reicht weit über die Ballettbühne hinaus, er sammelt Kunst, vor allem russische, und stellt sie aus. Er ist Mit-Eigentümer eines russischen Restaurants in New York (wohin er selbstverständlich auch Carrie ausführte), fotografiert und choreographiert.

Geboren wurde der Ausnahme-Tänzer 1948 in der lettischen Hauptstadt Riga – zu einer Zeit, als die noch Teil der Sowjetunion und seine heutige Wahlheimat New York nahezu unerreichbar war. Der Sohn eines hochrangigen russischen Armeeoffiziers fing als Kind mit dem Tanzen an und wurde an der Schule des Kirow-Balletts im heutigen Sankt Petersburg aufgenommen. Mit unendlicher Disziplin tanzt sich der von allen nur Misha gerufene Baryshnikov nach oben und ist bald vielfach preisgekröntes festes Ensemble-Mitglied. Schon damals feiert ihn ein Kritiker als „perfektesten Tänzer aller Zeiten“. Die konservative sowjetische Ballett-Welt wird Baryshnikov schnell zu eng. Bei einer Auslandstournee durch Kanada setzt er sich 1974 ab – und feiert noch im selben Jahr den ersten umjubelten Auftritt in New York. Zur Flucht habe er sich spontan entschlossen, sagt Baryshnikov später in einem Interview. „Das war ein schwieriger Moment, denn sie hatten mich auf die Tour mitgenommen in dem Verständnis, dass ich mich benehmen werde –  und das tat ich nicht.“

Baryshnikov tanzt am New York City Ballett unter dem legendären Direktor George Balanchine, wird Solotänzer, später künstlerischer Leiter des American Ballet Theatre. „Ich hatte einfach Glück, zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit den richtigen Menschen zu sein“, sagt der Mann mit dem ausdrucksstarken Gesicht bescheiden. „Das ist die Geschichte meines Lebens.“

Mit Neugier und Kreativität erarbeitet Baryshnikov mehr als 100 Choreographien und schafft den Sprung vom russischen Meisterschüler mit perfekter Beherrschung von Körper und Technik zum Meister der modernen amerikanischen Tanzkunst. 1986 nimmt er die amerikanische Staatsbürgerschaft an  – seinen weichen russischen Akzent hat er bis heute nicht abgelegt, auch wenn er nie wieder in sein Geburtsland zurückgekehrt ist. „Ich liebe die russischen Menschen und ihre Kultur. Die Regierung mag ich nicht und ich denke nicht, dass das Land sich in die richtige Richtung entwickelt.“

Nebenbei schauspielert Baryshnikov und bekommt gleich für seinen ersten Film „The Turning Point“ Ende der 70er Jahre eine Oscar-Nominierung. Es folgen Film- und Fernsehauftritte mit Stars wie Gene Hackman, Isabella Rossellini und Liza Minnelli. Mit Schauspielkollegin und Oscar-Preisträgerin Jessica Lange bekommt Baryshnikov 1981 eine Tochter. Inzwischen ist er schon viele Jahre mit der Ex-Ballerina Lisa Rinehart zusammen, mit der er drei weitere Kinder hat.

Obwohl weiter durchtrainiert und umtriebig – das Alter sei ihm trotzdem anzumerken, sagt Baryshnikov. „Ich fahre keinen Mercedes mehr. In meinem Alter sollte ich lieber wieder einen Ford fahren, habe ich entschieden, und bin auch ganz glücklich damit.“

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