Sein deutsches Abschiedskonzert Morricones letzter Blick zurück

Berlin · Vor einer Woche war die Musik Ennio Morricones bei einem Konzert in Saarbrücken zu hören, wenn auch ohne den 90-jährigen Maestro. Der hat nun am Montag in Berlin sein letztes Konzert in Deutschland gegeben.

  Ennio Morricone in Berlin, beim einzigen deutschen Konzert seiner Abschiedstournee. 2007 erhielt er einen Oscar fürs Lebenswerk, einen weiteren für seine Musik zu Quentin Tarantions Western „The Hateful Eight“.

Ennio Morricone in Berlin, beim einzigen deutschen Konzert seiner Abschiedstournee. 2007 erhielt er einen Oscar fürs Lebenswerk, einen weiteren für seine Musik zu Quentin Tarantions Western „The Hateful Eight“.

Foto: dpa/Christoph Soeder

Beim Titel seiner wohl letzten Konzertreise als Dirigent eigener Werke hatte Ennio Morricone die Wahl – und nun verwendet er gleich zwei. „The Farewell Tour 2019“ heißt offiziell das Konzert-Ereignis mit mehr als 150 Musikern, die seine legendären Kompositionen auf die Bühne heben. „The 90th Celebration Tour“ ist am Montagabend auf zwei Großleinwänden zu lesen, die das Geschehen in der Berliner Mercedes-Benz-Arena auch weit entfernten Zuschauern näher bringen.

Klar ist: Hier wird ein Denkmal gefeiert – ein Mann, der die Kunst der Filmmusik mit Melodien zu „Spiel mir das Lied vom Tod“, „Mission“ oder „Cinema Paradiso“ revolutioniert hat. Morricone nimmt mit seinem letzten Berlin-Konzert auch Abschied von deutschen Fans. Stolze 90 ist der Italiener nun, und man merkt dem fragilen Herrn mit der Hornbrille die Jahrzehnte auch an, wenn er mit sanften Bewegungen das Tschechische Nationalorchester und den Kodály Chor aus Ungarn leitet. Morricone dirigiert leicht zusammengesunken im Sitzen, greift auf Notenblätter zurück, ordnet eigentlich nur die Klangmassen – seine ihm schon lange bestens vertrauten Studio- und Tourneemusiker aus Prag und Debrecen könnten das Programm vermutlich auch ohne ihn routiniert spielen.

Wer eine Best-of-Show mit Ohrwürmern aus Italowestern und anderen Klassikern erwartet hatte, mag zunächst enttäuscht sein: Sie erklingen zwar, die Melodien aus Sergio Leones Filmen und dem Oscar-Triumph „The Hateful Eight“ von 2016, aus „1900“ oder „Die Unbestechlichen“ – aber Morricone will darauf nicht reduziert werden. „In 63 Jahren habe ich mehr als 600 Werke komponiert. Davon waren nur fünf Prozent Italowestern, mit denen ich allgemein identifiziert werde“, hatte er vor der Tournee betont. Daher werde er „als Zugeständnis an mein treues Publikum“ bekannte Stücke spielen lassen, wie die Mundharmonika-Melodie aus „Spiel mir das Lied vom Tod“ – aber eben auch andere, weniger berühmte. Ambitionierte Retrospektive statt simples Fan-Futter. Sein Konzert 2019 unterscheidet sich zudem erheblich von Auftritten des Vorjahres: kein „Deborah‘s Theme“ aus „Es war einmal in Amerika“, kein Auszug aus der wunderschönen „Legende vom Ozeanpianisten“. Stattdessen ein opulenter Block „Social Cinema“, in dem Morricone Musik aus politischen Filme wie „Sacco und Vanzetti“ oder „Der Weg der Arbeiterklasse ins Paradies“ unterbringt.

Seine typische Kino-im-Kopf-Mixtur aus Eingängigkeit und Tiefenwirkung, Melancholie und Aufgekratztheit, Streicherschmelz und spannungssteigernden Rhythmen prägt auch weniger naheliegende Live-Stücke. Daher gehen die allermeisten der rund 11 000 Besucher, die bis zu 145 Euro für das ausverkaufte Berliner Konzert ausgegeben haben, am Ende zufrieden nach Hause. Nach den bis Ende Juni terminierten letzten Konzerten in Italien will dieser Grandseigneur der Filmmusik dann – nach über 50 erfolgreichen Jahren – auch keine Soundtracks mehr komponieren. Sondern nur noch „reine Orchestermusik“.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort