Was bringt der saarländische PopRat? Saarländische Netzwerkarbeit à la PopRat

Saarbrücken · Der 2014 gegründete Verein zur Förderung der Popkultur im Land ist gewachsen und hat sich fest etabliert – beim geplanten Crossover-Festival 2020 ist er aber nicht dabei.

  Zu den vom PopRat protegierten Popkultur-Bausteinen gehört die „UrbanArt Biennale“ im Völklinger Weltkulturerbe. Das Foto zeigt Biennale-Besucher 2015, die sich in einem Werk des spanischen Künstlers Vermibus spiegeln.

Zu den vom PopRat protegierten Popkultur-Bausteinen gehört die „UrbanArt Biennale“ im Völklinger Weltkulturerbe. Das Foto zeigt Biennale-Besucher 2015, die sich in einem Werk des spanischen Künstlers Vermibus spiegeln.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Gut drei Jahre ist es her, dass der 2014 gegründete „Pop­Rat“ die hiesige Kulturszene mit seinen Ideen aufgemischt hat. Damals bestand der Rat aus zwei Dutzend Mitgliedern, die nicht etwa mit einem „Thesenpapierchen“ an die Öffentlichkeit gingen, sondern ein gut durchdachtes, ambitioniertes, auch umstrittenes Konzept mit dem Titel „Home of Pop“ vorlegten, in dem sie eine strategisch angelegte Förderung der Popkultur forderten. Ihr großes visionäres Ziel: das Saarland zum „Popland“ mit überregionaler Strahlkraft zu machen. Mit ihren Visionen wollten die PopRäte nicht zum Arzt, sondern an die Arbeit – und natürlich auch an die Geldtöpfe.

Sie forderten unter anderem eine gut besetzte „kreative Stabsstelle“, die sich um Nachwuchs-Förderung, Mittelbeschaffung und Vernetzung der Popkultur-Akteure kümmert. Das „Home of Pop“ solle „Außen- und Innenministerium der Popkultur im Saarland“ sein. Es existiert zwar (noch) nicht, genausowenig wie die gewünschte neue mittelgroße Spielstätte. Und auch die geforderte „Halle für alle“ mit mindestens 7500 Plätzen wird bislang nicht gebaut (aber wenigstens geplant auf dem Platz vor der Congresshalle). Aber: „Der Pop­Rat wird gehört“, sagt dessen Vorsitzender Peter Meyer, der im Broztberuf Pressesprecher des SR ist. Man sei zu einer festen Größe geworden und könne einige Erfolge verbuchen. Mittlerweile gibt es 146 PopRäte – darunter Musiker, Designer, Veranstalter, Verleger, Journalisten, Autoren, Game-Entwickler, Fantastik-Entrepreneure und andere Kreative –, die laut Meyer als „Lobbyisten für die Popkultur“ bereits einiges bewegen konnten. Wenn auch nicht immer so nachhaltig wie gewünscht. So war es ihm und Thilo Ziegler (beide PopRäte der ersten Stunde) zwar gelungen, Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD) mit ihrem Konzept für ein Crossover-Popfestival zu begeistern, das dann 2017 als „Colors of Pop“ unter Leitung von Konzertveranstalter Thilo Ziegler („Rocco del Schlacko“, „Electro Magnetic“) stattfand und viele Spielarten der Popkultur von Musik über Design bis zu Urban Art integrierte. Doch eine zweite Auflage kam nicht zustande. Es gab zu viele Differenzen. Commerçon plant nun nicht mehr mit Ziegler, sondern mit einer Experten-Jury, die nur zum Teil Saarland-Connections hat. Sie soll einen neuen Festivalleiter für ein Crossover-Festival 2020 finden, das Pop und Klassik-Angebote fusioniert (wir berichteten).

Hat also der Minister den PopRat ausgebootet? Und was sagt der dazu? „Ob und wenn ja, wie wir uns positionieren, werden wir intern besprechen“, sagt Meyer vorsichtig diplomatisch. „Natürlich verschließen wir uns nicht. Ideen haben wir genug. Aber zunächst sind wir sehr gespannt auf das Konzept.“ Dass „Colors of Pop“ als Festival nicht weitergeführt werde, sei „sehr bedauerlich“. Mit 24 000 Besuchern sei das erste saarländische Festival der Popkultur ein Erfolg gewesen, darauf besteht Meyer, ungeachtet der Kritik an der Organisation und einigen Veranstaltungen. „Dass es ein Alleinstellungsmerkmal unter allen Festivals hatte, nämlich die gesamte Popkultur zur Schau zu stellen und nicht nur die Musik, hat man nicht begriffen. Es braucht halt Mut, so eine Pionier­idee auch mittel- und langfristig zum Leuchten zu bringen.“

Dennoch hat der PopRat seinen Einfluss ausgebaut und ist über seine untereinander bestens vernetzten Mitglieder und deren gute Kontakte in Kulturszene und Politik ein ernstzunehmender Akteur in der Kulturlandschaft geworden. Manchmal zum Leidwesen der traditionellen Kultur­akteure. „Dabei wollen wir ‚alte’ und ‚neue’ Kultur gar nicht gegeneinander ausspielen“, sagt Meyer, der nichts vom Begriff „Hochkultur“ hält. Und doch war es die Popkultur, die dem Klassik-Platzhirschen „Musikfestspiele Saar“ 2017 die Förderung (350 000 Euro) quasi abspenstig machte. Ob Klassik und Popkultur in einem neu zu konzipierenden Festival, wie es 2020 geplant ist, zusammenfinden, wird man sehen.

Erreicht ist jedenfalls auch ein weiteres PopRat-Ziel: Die Schaffung eines Zertifikats-Studienganges „Angewandte Popstudien“, den es seit dem Wintersemester 2017/18 an der Universität des Saarlandes gibt. Anders als an der Mannheimer Pop-Akademie legt man in Saarbrücken Wert darauf, dass nicht nur die Musik im Mittelpunkt steht, sondern die vielen anderen Popkultur-Genres mit gedacht und integriert werden. „Die Fantasy- und Live-Rollenspiel-Szene im Land ist international bekannt und vernetzt, ebenso gilt das für die Urban und Street Art unter anderem mit der internationalen Biennale in der Völklinger Hütte“, zählt Meyer Beispiele auf. Saarländische Bands wie „Powerwolf“ oder Genetikk“ – alle auch Pop­Räte – landen Top-Hits. Zur „FaRK“, dem alle zwei Jahre stattfindenden Fantasy- und Rollenspiel-Konvent am Ex-Bergwerk Reden, pilgern bis zu 40 000 Besucher. „Das sind keine spinnerten Freaks, sondern sie sind wichtiger Popkultur-Bestandteil“, betont Meyer.

Aus den beiden künstlerischen Hochschulen im Land rekrutiere sich ein großer Teil des kreativen Personals im Design, im Comic-Zeichnen oder bei den Spieleentwicklern. „Hier wollen wir genreübergreifend nachhaltige Strukturen in der Popkultur entwickeln, indem wir Stärken bündeln“, so Meyer. Es gelte dabei, die Ambivalenz auszuhalten zwischen dem Mainstream und den vielen künstlerischen Nischen. Gerade an diesem Punkt weist Meyer die Kritik am Pop­Rat als einem Lobbyverein von Leuten, die sich gegenseitig vor allem Aufträge und Auftritte zuschustern, zurück. Natürlich gehe es darum, mit Popkultur Geld zu verdienen. Es seien aber doch gerade die vielen Kreativen in den Nischen der Popkultur, die von intensiver Vernetzung und einem Vermarktungskonzept wie es dem „Home of Pop“ zugrunde liegt, profitierten. Zudem gibt es eigens ein vom Land finanziertes Kreativzentrum, das die saarländische Kreativwirtschaft fördern und vernetzen soll. „In allen Regionen in Deutschland und vor allem im benachbarten Luxemburg ist man in Bezug auf die Förderung der Popmusik in jeder Hinsicht besser organisiert als bei uns“, bemängelt der PopRat. „Aber die Popkultur insgesamt haben nur wir im Blick.“ Die Politik müsse sich entscheiden, was sie fördern wolle und womit sich das Land im Wettbewerb mit anderen Regionen profilieren könne.

Dazu schlägt der PopRat immer wieder Projekte vor. Jüngste Idee: Ein „Europäischer Art Walk“. 2022 wird das luxemburgische Esch-sur-Alzette europäische Kulturhauptstadt sein. Man könne finanziell zwar nicht mit den Luxemburgern konkurrieren, die gerade beschlossen haben, die dortige Rockhal um 1000 Plätze auf dann 7500 zu erweitern. Aber man könne sich wenigstens an den Kulturhauptstadt-Zug dranhängen, schlägt Meyer vor. Wie wäre es also mit einem Art Walk, der in Saarbrücken beginnt, wo es ihn seit 2017 schon gibt (initiiert von den PopRäten Patrick Jungfleisch und Benjamin Knur) und der über das Weltkulturerbe Völklinger Hütte durch mehrere saarländische Städte bis nach Esch führt? „Dafür könnte man Mittel aus dem Kulturhauptstadtjahr-Fonds beantragen“, schlägt Meyer vor.

„Wir müssen uns um die Zielgruppe von morgen kümmern“, sagt Peter Meyer. Dass die mit kulturellen Angeboten von gestern nicht zu kriegen ist, haben sogar die Verfechter der so genannten „Hochkultur“ erkannt – sie richten sich, wenn auch zögerlich, danach. Etwa der neue Leiter der Musikfestspiele Saar, Bernhard Leonardy, der auch schon Ausflüge in die Popkultur wagte (zum Beispiel bei Orgel trifft HipHop) und sein neues Musikfestival unter das Motto „New Generation“ gestellt hat. Vielleicht lassen sich hier neue Brücken bauen.