Anderer Blick auf verrufene Orte Vom rüden Leben im falschen Viertel

Fotoausstellung BAN · Pariser Ausstellung „BAN“ lässt elf Fotografen vom abgeschnittenen Leben in den Banlieues dieser Welt erzählen.

 Der junge Fotograf Marvin Bonheur zeigt auf seinen Fotos einen Mann in Halbstarkenpose und eine Frau mit Maske – und gibt damit einen anderen Blick auf den Pariser Vorort Seine-Saint-Denis.

Der junge Fotograf Marvin Bonheur zeigt auf seinen Fotos einen Mann in Halbstarkenpose und eine Frau mit Maske – und gibt damit einen anderen Blick auf den Pariser Vorort Seine-Saint-Denis.

Foto: Knut Krohn

Was bedeutet es, nicht dazuzugehören? Ausgestoßen zu sein, mit dem Stigma durchs Leben zu gehen, am falschen Ort geboren zu sein? Elf Fotografen, die dieses Schicksal am eigenen Leib erfahren, haben sich dieser Frage gestellt. Ihre großformatigen Antworten hängen in den Magasins Généraux, einem modern-nüchternen Gebäudekomplex am Stadtrand von Paris. „BAN“ heißt die Ausstellung und spielt mit dem Wort Banlieue, das sind jene Vororte der großen französischen Städte, die scheinbar nur Hoffnungslosigkeit und Gewalt hervorbringen. „Ich will, dass die Menschen einen anderen Blick auf diese verrufenen Orte haben“, sagt Henrike Stahl, Fotografin und eine der Organisatorinnen der Ausstellung. Sie will vor allem das Bild korrigieren, das durch die tägliche Berichterstattung über Ausschreitungen und Verbrechen in den Köpfen der meisten Menschen zementiert ist.

Die großformatigen Fotos vom Leben in Banlieues aus der ganzen Welt sind die visuelle Ebene. Die Bilder hängen an langen Seilen von der Hallendecke und die Besucher können auf dieser Weise förmlich durch die Ausstellung schlendern. „Mein Ziel ist es, dass der Betrachter mit den fotografierten Menschen Auge in Auge steht, auf derselben Ebene“, erklärt Henrike Stahl. Auf dem Betonboden neben den Bildern stapeln sich in kleinen Kisten kurze Texte, die den Fotos eine weitere Facette hinzufügen. Geschrieben sind sie von den Mitgliedern des Fußballclubs Red Star, der weitaus mehr ist als ein einfacher Sportverein. Die Jugendlichen aus dem verrufenen Pariser Vorort Seine-Saint-Denis haben die Chance, an kreativen Workshops teilzunehmen, sich mit Künstlern zu treffen oder andere soziale Angebote wahrzunehmen. „Ich war verblüfft, was diese jungen Menschen in den Fotos gesehen haben“, erzählt Henrike Stahl. So kam sie auf die Idee, die Jugendlichen ihre Einfälle aufschreiben zu lassen. Sie als Künstlerin löst mit ihren Porträts die Bewohner von Seine-Saint-Denis anhand ungewöhnlicher Inszenierungen ein Stück weit aus der alltäglichen Tristesse.

Das Ergebnis wirkt fast poetisch, ohne dabei ins Lächerliche abzugleiten. Der dazugehörige Text eines Jugendlichen zum Foto eines stolz dreinblickenden jungen Mannes auf einem schwarzen Pferd vor einem tristen Plattenbau ist dann allerdings nah am harten Leben im Banlieue orientiert. „Je fais le gars de tess, mais en fait je suis un putain de romantique.“ Auf Deutsch etwa: „Ich mache einen auf schnellen Macker, aber eigentlich bin ich ein verdammter Romantiker.“

Dieser rüde, spöttische, aber sehr ehrliche Satz gefällt Henrike Stahl. Er eröffnet einen tieferen Einblick in das Denken der Jugendlichen in den Banlieues, wo Männer oft den Macho spielen müssen und Gefühle hinter einer großen Klappe versteckt werden. Das Medium Kunst hat in diesem Fall etwas den Vorhang der Realität gelüftet und damit seinen Zweck erfüllt.

Fotoausstellung BAN in Paris, geöffnet nur samstags und sonntags, 11 – 20 Uhr, Eintritt frei, noch bis zum 16. August. Adresse: Magasins Généraux, 1 rue de l’ancien canal in Pantin.

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