Filmfestival in Cannes Reife Leistungen dreier Altmeister
Cannes · Beim Filmfestival in Cannes ragen zur Halbzeit Werke von Kino-Veteranen heraus. Passend dazu erhielt Alain Delon, auch schon 83 Jahre alt, eine Ehrenpalme.
(dpa/afp/red) Eigentlich wäre es Zeit für eine junge Generation beim Filmfest Cannes. Doch diesmal sind es vor allem altbekannte Namen, die einmal mehr berühren: Pedro Almodóvar, Terrence Malick und Ken Loach – drei Meister im Rentenalter. Schon zur Halbzeit scheint sicher, dass diese Veteranen am Ende alle mit einem Preis ausgezeichnet werden. Mit Malicks „Ein verborgenes Leben“ wäre das auch eine Ehrung für eine deutsche Koproduktion mit deutschen Stars.
Fünf Mal war der spanische Regisseur Pedro Almodóvar (69) bereits im Wettbewerb von Cannes und galt oft als einer der Favoriten. Doch weder für sein Meisterwerk „Volver“ noch für „Alles über meine Mutter“ gewann der Oscarpreisträger eine Goldene Palme. Nun versucht er es mit „Leid und Herrlichkeit“ erneut, einem Melodram in satten Farben. Die Geschichte weist Parallelen zu Almodóvars Leben auf: Salvador Mallo (intensiv gespielt von Antonio Banderas) ist ein gefeierter, schwuler Regisseur. Doch er ist einsam, körperliche und psychische Leiden hindern ihn an der Arbeit; stattdessen schaut er auf sein Leben zurück. Drogen und Medikamente versetzen ihn in rauschhafte Tagträume, in denen er sich an seine Kindheit und seine Mutter (Penélope Cruz) erinnert. Außerdem begegnet er den Dämonen seiner Vergangenheit und klärt alte Konflikte. Diese Hommage an die Liebe und das Leben kommt am 25. Juli in unsere Kinos.
Nüchterner, dabei noch ergreifender ist „Sorry we missed you“ von Ken Loach. Der 82-Jährige Brite (und zweifacher Palmengewinner) geht wieder drängenden sozialen Fragen nach. Ein Vater und eine Mutter, die sich in ihren Jobs verausgaben und trotzdem finanziell kaum über die Runden kommen – davon erzählt Loach mit so viel Empathie, dass auch „Sorry we missed you“ weit oben in der Kritikergunst landete.
Ein deutscher Regisseur hat es dieses Mal nicht in den Wettbewerb geschafft. Doch in „Ein verborgenes Leben“, maßgeblich in Deutschland produziert, blickt der US-Amerikaner Terrence Malick auf eine wahre österreichische Geschichte – mit prominenten deutschen Darstellern wie August Diehl, Jürgen Prochnow, Franz Rogowski (2018 mit dem Neunkircher Günter-Rohrbach-Preis geehrt), Alexander Fehling und Ulrich Matthes. Der Film erzählt vom Bauern Franz Jägerstätter (Diehl), der sich im Zweiten Weltkrieg weigerte, für die Wehrmacht zu kämpfen. Ähnlich wie sein Palmen-Gewinner „The Tree of Life“ mit Brad Pitt trägt auch dieser Film eindeutig Malicks Handschrift: Es ist ein dreistündiger Bilderrausch. Gleichzeitig steht dieses Mal Malicks Anliegen viel expliziter im Mittelpunkt. Er stellt zeitlose Fragen nach Moral und Gewissen, Glaube und Religion, Recht und Unrecht. Wann steht man für seine Werte ein? Wann muss man aufbegehren gegen Unrecht? Malicks Film ist wie ein Strudel, der einen erfasst und emotional mit sich reißt. August Diehl und seine Film-Ehefrau, die Österreicherin Valerie Pachner, tragen das Werk mühelos – sie hätten ebenfalls einen der Festival-Preise verdient.
Die Ehrenpalme für das Lebenswerk hat am Sonntagabend Schauspieler Alain Delon erhalten. Bevor ihm seine Tochter Anouchka Delon die Auszeichnung überreichte, wischte er sich Tränen aus den Augen. „Es ist lange her, dass ich so viel geweint habe“, sagte der 83-Jährige. Die Verleihung war von der US-Vereinigung „Women and Hollywood“ kritisiert worden – in ihren Augen sei Delon rassistisch, homophob und frauenfeindlich. Delon wurde unter anderem mit „Der eiskalte Engel“ von Jean-Pierre Melville und „Der Leopard“ von Luchino Visconti weltberühmt.