Ein Tänzer mit der Feder und einem großen Herzen für das Saarland

Saarbrücken · Drei Jahrzehnte prägte Heinz Mudrich nicht bloß das Feuilleton dieser Zeitung. Er war auch eine treibende Kraft der Kultur im Lande und nimmermüder Botschafter für das Saarland. Nun ist er kurz vor seinem 91. Geburtstag gestorben.

Journalisten sind ein bisschen wie Eintagsfliegen: Man schreibt für den Tag; keine Literatur halt. So ist es schon außergewöhnlich, ein Solitär geradezu, wenn der Ruf eines Kollegen Schreiber-Generationen überdauert. Bei Dr. Heinz Mudrich, 30 Jahre, von 1959 bis 1989 Feuilleton-Chef der Saarbrücker Zeitung, ist das so. Eine Autorität, eine Institution war er - nicht bloß für die Redaktion, sondern im gesamten Kulturleben des Landes. Überdies eine anerkannte Stimme in der jungen Bundesrepublik, die sich noch finden musste. Ein geteiltes Deutschland? Für Mudrich nicht akzeptabel. Und so puschte er nach Kräften DDR-Autoren - eine weithin beachtete Eigenheit seines Feuilletons.

Wer ihn kennen lernen durfte - und zuvor nur seine Texte kannte - war verblüfft: Wie konnte ein Berg von einem Mann, besser ein Vulkan (auch seine Ausbrüche bei ungenügendem Geschreibsel von Kollegen bleiben redaktionslegendär), dieser Tänzer mit der Feder sein? Auf der Spitze - immer. Gerade wenn es um das von ihm so geliebte Theater ging. Ja, auch das Kritische formulierte er ironiefunkelnd und unerhört leicht, sprachakrobatisch, gedankenkühn. Er beherrschte die hohe Kunst der "Luftkutscherei" genauso wie sein Freund, der Schriftsteller Ludwig Harig.

Apropos Harig. Natürlich waren Heinz Mudrich und seine Frau, die 2006 verstorbene Hörspiel-Autorin Eva Maria Mudrich, nicht bloß Teil des Kulturlebens hier. Man war befreundet mit wichtigen Malern, Musikern, Theaterleuten, Dichtern. Ein eingeschworener Zirkel. Der auch bestimmte, was (Hoch-)Kultur im Saarland war - und was nicht. Mudrich definierte seinen Anspruch von oben. Er kam von Berlin an die Saar, ein Mann der Metropole mit eben diesem Verständnis. "mdr", so sein Kürzel, hielt es nie nur im Kulturgärtchen - er war ein scharfer und manchmal unleidlicher Beobachter der ihn umgebenden Gesellschaft. Auch mit den Verlagsmächtigen im eigenen Haus kreuzte er gern die Klinge.

So sehr er aber weiter Berlin im Herzen trug, so unbedingt war er das, was man heute "Saarlandbotschafter" nennt. Natürlich sah er die Malaisen dieses kleinen Bundeslandes, in dem, als er kam, noch alle Schlote rauchten. Unverdrossen pries er aber die Vorzüge der Region, fabulierte sogar vom "Saar-Lor-Luxus". Fällt hoch dotierten Imagekampagnen-Ausdenkern sowas ein?

Sicher, das waren andere Zeiten damals. Feuilleton-Redakteure durften Sonderlinge sein, die den Nachmittag über einer Schach-Partie brüteten, um hernach - scheinbar aus dem Stehgreif - Bedeutendes zu Papier zu bringen. Tempi passati. Heinz Mudrich hielt das große Feuilleton für unabdingbar. Unsere Konzentration heute aufs Land galt ihm fast schon als Sündenfall. Dennoch war er seiner SZ treu. Er telefonierte, schrieb Briefe, um darauf hinzuweisen, was wichtig ist. Aus dem Redakteur wurde über viele Jahre ein geschätzter Begleiter. Nun ist Heinz Mudrich kurz vor seinem 91. Geburtstag in Saarbrücken gestorben.

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