Ein Goldener Bär für eine Doku?

Berlin · Es war qualitativ ein besserer Wettbewerbsjahrgang als in den Vorjahren. Als Siegerfilme werden nicht zuletzt zwei Dokus gehandelt: Gianfranco Rosis Lampedusa-Film „Fuocoammare“ und Alex Gibneys „Zero Days“ über den Stuxnet-Virus. Gérard Depardieu, der seinen außer Konkurrenz laufenden neuen Film nach Berlin brachte, weiß schon, wer den Goldenen Bären verdient hätte: sein Film.

Ein klarer Favorit, an dem Präsidentin Meryl Streep und ihre Jury-Mitglieder nicht vorbei kommen, kristalliert sich auf der diesjährigen Berlinale nicht wirklich heraus. Doch im - verglichen mit den Festival-Ausgaben zuletzt - niveauvolleren Wettbewerb gibt es zumindest einige Filme, die sich leicht vom Mittelfeld abgesetzt haben. Überzeugt am Ende Gianfranco Rosis Doku-Poem "Fuocoammare" die Jury, das mit einem künstlerischen Ansatz um Flüchtlinge und Bewohner der italienischen Insel Lampedusa kreist? Oder "Hedi", der von einem jungen Tunesier erzählt, der einen Ausweg aus der Zwangsverheiratung sucht? Auch Alex Gibneys "Zero Days", die zweite Doku in der Konkurrenz, könnte das Rennen machen. Ausgehend vom Angriff auf eine iranische Atomanlage mit der Stuxnet-Schädlingssoftware, die von den USA und Israel entwickelt wurde, gibt diese eindringliche, detaillierte Abhandlung Einblicke über Cyber-Kriegsführung - inszeniert wie ein Thriller.

Bei den Darstellerpreisen könnte Julia Jentsch den Silbernen Bären ein zweites Mal bekommen, diesmal für ihren nachwirkenden Auftritt im Spätabtreibungsdrama "24 Wochen", dem einzigen deutschen Wettbewerbsbeitrag. Verdient hätte ihn auch die Dänin Trine Dyrholm in Thomas Vinterbergs Kommunen-Beziehungsdrama "Kollektivet". Unter den Männern empfehlen sich die beiden Jungdarsteller aus André Techinés "Quand on a 17 ans" durchaus für einen Silbernen Bären: Wie sie in der physischen Auseinandersetzung und im Kampf Zuneigung füreinander entdecken, ist intensiv und erstaunlich präzise gespielt.

Nicht nur das Programm stimmte diesmal. Es ließen sich auch reichlich Stars blicken von Emma Thompson über George Clooney bis hin zu Julianne Moore. Zum Schluss kam auch noch ein anderer, alter Berlinale-Bekannter als letzter großer Festivalstar: Gérard Depardieu. Der französische Hüne stellte "Saint Amour" vor, seine dritte Zusammenarbeit mit dem Regie-Duo Gustave Kervern und Benoît Delépine. Nachdem er sich zuletzt in "Mammuth" mit der drohenden Leere des Neu-Rentner-Daseins schwer tat, ist Depardieu nun als Landwirt unterwegs, der mit seinem Sohn und einem jungen Taxifahrer ein paar Tage durch Weinregionen tourt. Ein Film über Leben, Liebe, Landwirtschaft, der nachdenkliche Momente mit reichlich eigenwilliger Komik mischt. Der schwarze Humor, den die Filme der beiden Regisseure bislang auszeichnete, tritt in den Hintergrund.

"Das ist genau die Art Kino, die mir gefällt", sagte der Franzose mit russischem Pass über seinen außer Konkurrenz laufenden Film und erzählte ansonsten, dass er keine Drehbücher liest, Putin mag und sich über die landwirtschaftlichen Produkte beim Dreh freute. "Ich denke, dass der Wettbewerb nicht so interessant ist wie unser Film - sage ich in aller Bescheidenheit."

Lediglich eine größere Absage traf das Festival gegen Ende: Michael Moore, dessen Werk "Where to invade next" seine Europapremiere feierte, kam nicht, weil er sich noch von einer Lungenentzündung erholt. Im Bademantel schickte er stattdessen Video-Grüße, lobte die Haltung vieler Deutscher in der Flüchtlingskrise und erklärte, dass er bei der Entstehung seines Films einige zentrale Momente in Deutschland erlebte. Der Film selbst ist ein typischer Moore: vereinfachend, aber sehr amüsant und im Kern wahr, sucht er vor allem in Europa nach Ideen, mit denen man die Missstände in den USA angehen könnte.

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