Duschen explodieren am besten in Zeitlupe

Früher war vermeintlich alles besser. Oder doch nicht? Beim Rückblick auf die 70er, 80er und 90er werden SZ-Redakteure „nostalgisch“. Heute geht es um ein filmisches Wunderwerk aus Jugendtagen: die Super-8-Kamera.

Ein kleines Wunder, dass die Dusche das überlebt hat. Schließlich musste sie die Explosion eines Knallfroschs mit dem eruptiven Namen "Kanonenschlag" aushalten - pyrotechnischer Höhepunkt von Dreharbeiten im heimischen Sanitärbereich, Anfang der 80er Jahre. Ein Film mit viel Kawumm sollte es werden, maskulin besetzt mit der Anziehpuppe "Action Man" (siehe Kolumne vor einigen Wochen) und mit dem Finale einer explodierenden Brücke. Wer von James Bond kinosozialisiert wurde, für den konnte als Steppke ein Film nur sinnstiftend mit einer Detonation enden.

Also wurde das Duschwasser mit Kaliumpermanganat aus dem Chemiebaukasten eingefärbt - in ein giftiges Lila, als wäre es der Rhein der 80er Jahre an den verseuchtesten Stellen. Im Wasser der Duschwanne dümpelte eine Plastikmodellbrücke im Maßstab 1:72 von "Airfix", drapiert mit dem "Kanonenschlag", dessen Name nicht zu viel versprochen hat. Noch heute klingeln meine Ohren.

Gefilmt wurde mit einem technischen Wunderwerk namens Super-8-Kamera. Spätgeborene, die analoges Filmmaterial nicht mehr kennen, müssen sich wundern - aber diese kleine und nicht billige Plastikcassette mit 15 Meter Schmalfilm, die durch das Belichtungsfenster ratterten, war damals "high tech". Drei Minuten konnte man füllen und wusste zehn Tage später, was genau man da gefilmt hatte: Denn die Plastikcassette musste zum Entwickeln eingeschickt werden und kam per Post als kleine Spule zurück. Im Falle der Brückensprengung blieb die Vorfreude aber die schönste Freude. Denn im Film war die Brücke in einer Millisekunde verschwunden, da hatte auch der Druck auf den Zeitlupenknopf nichts gebracht. Und Ton gab es sowieso nicht.

Das war das letztlich Frustrierende an der Kamera: Scheinbar gab sie einem die Möglichkeit, all die Effekte aus dem Kino zwischen 007 und "Godzilla" nachzutricksen - aber es zeigte sich eben gnadenlos der Unterschied zwischen erwachsenen Profis und pickeligen Nachwuchstricksern. Denn so richtig wollte das Ganze nicht gelingen: Nahaufnahmen von Plastikmodellen waren immer leicht unscharf; die Lego-Männchen und "Krieg der Sterne"-Figuren, bildweise im "stop motion"-Verfahren animiert (24 Einzelaufnahme für eine Sekunde Film), schafften es nie zu fließenden Bewegungen - sie trampelten im unattraktiven Stechschritt durch die handbemalten Pappkulissen. Kurzfristig entmutigend war das - auf lange Sicht und Jahre später aber beruhigend. Denn schlechte Tricks im Kino sind bis heute herzerwärmend: Gut zu wissen, dass man nicht als einziger versagt hat.

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