Auftritt mit Wiener Philharmonikern Dirigent Christoph Eschenbach feiert seinen 80. mit Mahler

Berlin · Er blicke nach vorn, die Vergangenheit sei „tempi passati“, sagt Christoph Eschenbach. Konkret heißt das, dass er heute, zu seinem 80. Geburtstag, bei den Wiener Philharmonikern zu Gast ist und Gustav Mahlers erste Sinfonie dirigiert.

 Christoph Eschenbach dirigiert an seinem Geburtstag die Wiener Philharmoniker.

Christoph Eschenbach dirigiert an seinem Geburtstag die Wiener Philharmoniker.

Foto: dpa/Rolf Rick

Die „Wiener“ hätten ihm dieses Datum geschenkt. Von Altersruhe ist bei Eschenbach, dem weit gereisten Dirigenten und Pianisten, also nichts zu spüren. „Ich bin gesund, ich bin arbeitsam und habe gute Ideen in dem, was man wahrscheinlich hohes Alter nennt.“

Gerade war er zu Gast beim Orchestre de Paris, in der kommenden Woche leitet er das Konzerthausorchester Berlin, wo er seit Beginn dieser Spielzeit Chefdirigent ist. Zu seinen Ehren feiert das Konzerthaus ein ganzes Festival. Die Pianisten Lang Lang und Tzimon Barto sowie die Geigerin Midori sind mit von der Partie. Wenn das Berliner Konzerthaus im kommenden Jahr seinen 200. Geburtstag feiert, will Eschenbach ebenfalls dabei sein.

Nach langer Zeit in den USA war Eschenbach im vergangenen Jahr zurückgekehrt. Es sei an der Zeit, sich wieder in Europa zu bewegen, hatte er damals gesagt. Dafür suchte er sich das musikalische heiß umkämpfte Berlin aus, mit Dirigenten wie dem Staatsopern-Chef Daniel Barenboim und Kirill Petrenko bei den Philharmonikern. Mit der Berufung gelang Konzerthaus-Intendant Sebastian Nordmann ein Coup.

Der 1940 in Breslau geborene Musiker gehört zu den international gefeierten Pultstars. Eschenbach war Chef beim Tonhalle-Orchester Zürich, dem Houston Symphony-Orchestra, dem NDR Sinfonieorchester, dem Orchestre de Paris, dem Philadelphia Orchestra und zuletzt beim National Symphony Orchestra im Kennedy-Center in Washington. Von 1999 bis 2002 leitete er das Schleswig-Holstein Musikfestival.

Ein „Universalgenie“ nennt Nordmann den Dirigenten, der mit seinem kahl rasierten Kopf und dem hochgeschlossenen schwarzen Hemd mit Stehbund wie ein Mönch wirkt.

Eschenbach hat eine bewegte – und bewegende – Biografie. Seine Mutter starb bei seiner Geburt. Sein Vater, der Musikwissenschaftler Heribert Ringmann, starb im Krieg, nachdem er wegen seiner Opposition gegen die Nationalsozialisten in ein Strafbataillon abkommandiert worden war. Mit seiner Großmutter war Eschenbach ein Jahr lang auf der Flucht, in einem Flüchtlingslager starb sie an Typhus.

So wuchs Eschenbach bei der Cousine seiner Mutter, der Pianistin Wallydore Eschenbach, in Schleswig-Holstein und Aachen auf. „Die letzten Kriegsjahre waren schon ziemlich grauenvoll, und ich trage sie unvergesslich in mir“, sagte der Dirigent im vergangenen Jahr. „Die Musik hat mir geholfen, diese fürchterlichen Eindrücke zu sublimieren und sie zu übersetzen in Kunst.“ Er sei „ein Kriegskind“ und werde es auch immer bleiben.

Seine Karriere startete Eschenbach als Pianist, wechselte aber bald in das Dirigierfach und lernte den Beruf bei Herbert von Karajan und George Szell. Am Dirigieren habe ihn vor allem die Größe des Repertoires gereizt. Klavierspieler seien sehr einsam. „Man ist allein auf der Bühne mit einem großen schwarzen Tier.“

Auch einem Laien verhalf Eschenbach zu künstlerischer Berühmtheit – dem Hobbypianisten Helmut Schmidt (1918-2015). In den legendären Abbey Road Studios, wo einst die Beatles ihre Platten produzierten, nahm der damalige Kanzler 1981 zusammen mit Christoph Eschenbach und Justus Frantz Mozarts Konzert für drei Klaviere auf.

Ob Eschenbach selber wieder als Solist am Klavier auftreten wolle, seinem „Nebenberuf“, wie er sagt? Eine Verletzung an der linken Hand habe ihm eine Zwangspause auferlegt. Nicht als Solist, sagt Eschenbach, aber als Begleiter am Flügel – demnächst mit dem jungen griechischen Flötisten Stathis Karapanos.

(dpa)
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