„Diego Maradona“ neu im Kino Der Gladiator mit der „Hand Gottes“

Saarbrücken · Die sehenswerte Dokumentation „Diego Maradona“ über den – zumindest auf dem Platz – genialen Fußballer startet in Saarbrücken.

 Diego Maradona in einer Szene des Films, der die Eskapaden nach dem Karriere-Ende ausspart.

Diego Maradona in einer Szene des Films, der die Eskapaden nach dem Karriere-Ende ausspart.

Foto: dpa/Meazza Sambucetti

So müssen sich Gladiatoren gefühlt haben in den Katakomben des Kolosseums von Rom auf ihrem Marsch in die Arena. Diego Maradona läuft durch die Gänge im Stadio San Paolo von Neapel, ein Begleiter schiebt ihn zwischen Journalisten, Offiziellen und Fans hindurch. „Diego! Diego!“-Sprechchöre begleiten den kleingewachsenen, großen Argentinier. Das ganze Stadion vibriert. An jenem Julitag 1984 beginnt für Neapel ein sieben Jahre langer Fußball-Ausnahmezustand. Und für Maradona ein wildes Italien-Abenteuer, in dem er Held und Verräter, Wunder-Kicker und Drogensüchtiger, Heiland und Teufel ist.

Drei Jahrzehnte später hat Regisseur Asif Kapadia („Senna“, „Amy: The Girl behind the Name“) die prägendste Zeit des vielleicht besten Fußballers der Geschichte verewigt. In der Dokumentation „Diego Maradona“ fokussiert sich der Filmemacher auf jene turbulenten Jahre bei Napoli, in denen aus dem begnadeten Sportler zuerst ein Fußball-Heiliger und dann eine traurige Gestalt wird. Diego Armando Maradona wurde in keine Glamour-Welt geboren - im Gegenteil: Als viertes von acht Kindern kommt er am 30. Oktober 1960 im Armenviertel Villa Fiorito am Stadtrand von Buenos Aires zur Welt. „Mir ging es nur darum, meinen Eltern ein Haus zu kaufen und dass wir niemals zurück müssen nach Fiorito“, sagt Maradona in dem Film.

Dank seines einmaligen Talents schafft es Maradona zu den Boca Juniors und nach Europa: Nach unglücklichen zwei Jahren beim FC Barcelona holt ihn Napoli in die italienische Serie A - und der Wahnsinn beginnt. Zigtausende Fans begrüßen den Argentinier bei der Ankunft, auf dem Platz verzückt er die Tifosi und beschert dem Verein die ersten beiden Meistertitel der Geschichte. Fußball ist am Fuße des Vesuvs eine Religion und Maradona ihr Messias. „Die Neapolitaner scheren sich weder um ihr Leben noch um das ihrer Kinder. Es geht ihnen nur um den Sonntag, wenn Napoli spielt“, sagt Maradona.

Die Stimmung in der chaotischen Metropole transportiert Regisseur Kapadia, der mit seiner Dokumentation über die Sängerin Amy Winehouse einen Oscar gewann, in dem mehr als zweistündigen Film ausschließlich mit Originalaufnahmen, teilweise bislang unveröffentlichten. Szenen aus der Umkleidekabine nach dem Meisterschaftsgewinn sind dabei, gefilmt von einem Anführer des Fanclubs Napoli Ultras. Einen Erzähler gibt es nicht, dafür kommen Zeitzeugen wie ehemalige Mitspieler, Trainer und Journalisten zu Wort. Auch Maradona selbst blickt offen zurück auf jene Jahre.

Dabei geht es nicht nur um Fußball, sondern um ganz große Dramen: Maradonas jahrelange Kokain-Sucht, die in der von der Mafia geprägten Stadt mehr gefördert als bekämpft wird; seine Nähe zu bekannten Camorra-Bossen, mit denen er sich öffentlich fotografieren lässt; die Affäre mit einer Freundin seiner Schwester und der uneheliche Sohn Diego junior, den Maradona jahrelang verleugnet. Und dazwischen als größter Erfolg seines Lebens der WM-Titel mit Argentinien 1986 inklusive dem legendären „Hand Gottes“-Treffer gegen England.

Ein Happy End gibt es nicht, soviel sei verraten. Bei der WM 1990 in Italien spaltet das brisante Halbfinale der Gastgeber gegen Maradonas Argentinier just in Neapel die ganze Stadt. Nach dem Sieg der Südamerikaner wenden sich viele Tifosi von Maradona ab. Bevor er dann auch noch von einem Gericht wegen Besitzes und Weitergabe von Kokain verurteilt wird, verlässt er die Stadt über Nacht. „85 000 waren bei meiner Ankunft da. Als ich ging, war ich allein“, sagt er.

All die Eskapaden nach Maradonas Karriereende spart der Film aus, am eigenen Denkmal hat der Argentinier selbst genug gesägt. Jüngst wurde er wieder operiert, diesmal am Knie. Ein Arzt sagte, dass Maradona nie mehr richtig Fußball spielen könne. Was für eine Nachricht für einen, dessen Füße einst das Schicksal einer ganzen Stadt bestimmten.

„Diego Maradona“ startet am Donnerstag in der Camera Zwo (Sb).
Kritiken und Termine zu den anderen Neustarts der Woche gibt es am Donnerstag in unserer Beilage treff.region.

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