Jazzkonzert von Till Brönner und Dieter Ilg „Ein Haus braucht nur Dach und Keller“

Saarbrücken · Dieter Ilg und Till Brönner, zwei Größen des deutschen Jazz, vertrauten in der Saarbrücker Congresshalle einzig auf Kontrabass und Trompete.

 Die Kunst der reduzierten Besetzung: Till Brönner und Dieter Ilg bei ihrem Saarbrücker Konzert.

Die Kunst der reduzierten Besetzung: Till Brönner und Dieter Ilg bei ihrem Saarbrücker Konzert.

Foto: Sebastian Dingler

Wie würde das wohl sein, dürften sich manche vorab gefragt haben, einen ganzen Abend lang nur von Kontrabass und Trompete unterhalten zu werden? Würde da nicht einfach trotz aller Ausnahmekönnerschaft von Till Brönner und Dieter Ilg (die zwei gehören zur absoluten Jazz-Elite in Deutschland) zu viel fehlen, an Harmonie und Rhythmik? Nach dem Konzert am Donnerstag in der Congresshalle ließ sich die Frage nicht ganz eindeutig beantworten.

Sicher hatten Brönner und Ilg das Maximum an Klangfarben und Möglichkeiten dieser Duo-Formation herausgeholt. Mit Loop-Effekten wurde da gearbeitet, mit viel Hall und Echo, mit einem automatischen Intervall, das sich zum Trompetenton dazu gesellte; Brönner ging zwischendurch auch ans Mikrofon und sang einen Bossa nova auf portugiesisch, Ilg nahm am Ende den Bogen heraus und sägte die ganz tiefen Töne hervor. Nur wenn’s gar nicht anders ging, behalfen sich die beiden mit ein paar Klängen von der Festplatte.

 Die Stilistik bemühte eine ebenso große Vielfalt: Vom Kirchenlied ging es da über einen Popsong der Black Eyed Peas bis zum Bebop Charlie Parkers, vom Freejazz bis zu neutönenden Klanglandschaften. Je länger das Konzert dauerte, desto mehr schöpften die beiden Ausnahmemusiker aus dem Füllhorn. Aber: Im ersten Teil des Konzerts funktionierte diese Reduktion auf Fundament und Melodie nicht immer. Dabei hatte Brönner noch behauptet, ein Arzt (der wahre Fachmann dafür wäre eigentlich ein Psychologe) habe ihm erzählt, das Gehirn könne sich alles Fehlende dazu denken. „Ein Haus braucht nur ein Dach und einen Keller“, meinte er. Um bei dieser Analogie zu bleiben: Ein solches Haus böte wohl nur wenig Wohnqualität, und so war es auch bei einigen der jazzigen Titel des Duos. Die spazierenden Bassläufe des Swing, der Walking Bass, gaben einfach zu wenig harmonische Information, um die Tonfolgen der Trompetensoli nachvollziehen zu können. Anders ausgedrückt: Über die angesprochenen Hirnfunktionen mögen Musiker wie Ilg und Brönner vielleicht verfügen, Normalsterbliche konnten sich den Rest eher nicht dazudenken. Und: Auch wenn Ilg über frappierende Fähigkeiten auf dem Kontrabass verfügt, muss man dieses zur Begleitung erfundene Instrument schon sehr mögen, um ständige Basssoli als Genuss zu empfinden.

 Erstaunlicherweise funktionierte die Popmusik in der reduzierten Besetzung besser, vielleicht, weil die einfachere Struktur es leichter machte, das Fehlende innerlich zu kompensieren. Das Beatles-Stück „Eleanor Rigby“ etwa sorgte für ersten Jubel im Publikum. Auch Brönners Eigenkomposition „A Distant Episode“ mit einem ganz simplen Bass betörte. Am gelungendsten jedoch tönte die Komposition „Wetterstein“, die sich auf den bayrischen Aufnahmeort des Brönner/Ilg-Albums „Nightfall“ anspielte: Dazu wurde das Licht im Saal fast zur völligen Dunkelheit gedimmt. Aus verhallten Geräuschen wechselten beide nach und nach ins meditative Tonale, ehe plötzlich ein Wechselbass und eine Melodie aus bayrischer Volksmusik erklangen – ein witziger Kontrast zur bisweilen bemühten Ernsthaftigkeit mancher Neutöner und Freejazzer. Alsbald jedoch wurde es wieder dramatisch mit Nebelhörnern und vielen Windgeräuschen. So funktionierte diese außergewöhnliche Kombination und sorgte summa summarum für einen kurzweiligen, stark beklatschten Konzertabend.

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