Die Raubkunst selbst wird zum Ausstellungsthema

Das Testament des Sammlers Cornelius Gurlitt, in dessen Wohnung mehr als 1200 Kunstwerke gefunden wurden, ist nach Auffassung des Oberlandesgerichts München gültig. Dessen Cousine hatte das Testament angezweifelt. Damit kann die millionenschwere Sammlung nun an das Kunstmuseum Bern gehen; die hatte ihm Gurlitt vor seinem Tod 2014 vermacht. dpa-Mitarbeiterin Britta Schultejans hat mit Marcel Brülhart gesprochen, dem Vizepräsidenten der Dachstiftung des Kunstmuseums.

Ist das jetzt wirklich das Ende der juristischen Auseinandersetzung? Oder kann noch etwas die Herausgabe der Bilder verzögern?

Brülhart: Die Verfügungsgewalt über die Erbschaft kann grundsätzlich nicht mehr verhindert werden. Aber die Gegenseite könnte noch eine erbrechtliche Feststellungsklage anheben. Diese würde aber das Museum nicht daran hindern, etwa die geplanten Ausstellungen in Bern und Bonn durchzuführen.

Welche Werke gehen nun wann nach Bern?

Brülhart: Ein großer Teil ist inzwischen von ihrer Provenienz her erforscht und frei von Raubkunstverdacht. In diesem Konvolut finden sich hervorragende farbige Werke auf Papier und einzelne Gemälde von Hauptvertretern des deutschen Expressionismus und der Neuen Sachlichkeit. Unter den bislang noch nicht abschließend erforschten Werken befinden sich Gemälde unter anderem von Paul Cézanne. Von zentraler Wichtigkeit ist uns, dass sämtliche Werke "ausgeforscht" werden. Das kann noch bis zu zwei Jahren dauern. Entsprechend werden abgeklärte Werke schrittweise nach Bern kommen oder restituiert werden. Wahrscheinlich ist, dass bei einer nicht geringen Menge an Werken keine Hinweise auf Raubkunst bestehen, die Provenienz aber nicht abschließend geklärt werden kann. Bei solchen Werken hat das Kunstmuseum ein Wahlrecht. Sicher ist, dass - wenn wir solche Werke übernehmen würden und sich anschließend ein Raubkunstverdacht ergäbe - wir gemäß der abgeschlossenen Vereinbarung mit der BRD und Bayern nach der deutschen Auslegung der Washingtoner Erklärung restituieren würden.

Welche Bilder bleiben in Deutschland?

Brülhart: Mit Sicherheit Werke, die Raubkunst darstellen, oder solche, an denen ein Verdacht nicht ausgeräumt werden kann. Zudem wird das Kunstmuseum Bern "entartete" Kunst großzügig an deutsche Museen ausleihen. Denkbar sind auch Dauerleihgaben.

In Bern wartet seit langem eine Provenienz-Forschungsstelle darauf, ihre Arbeit aufzunehmen. Wann wird sie loslegen und was genau wird sie tun?

Brülhart: Die diesbezüglichen Mittelzusagen sind an das Obsiegen in dem Verfahren gekoppelt. Entsprechend müssen wir zuerst auf die Rechtskraft des Urteils warten. Das Forschungsteam soll das Deutsche Zentrum für Kulturgutverluste (DZK) unterstützen. Die Bewertung der Forschungsergebnisse überlassen wir dem internationalen Expertenteam des DZK.

Wann wird die geplante Ausstellung in Bern und in der Bonner Kunsthalle stattfinden können? Können Sie auch inhaltlich schon etwas zu den Plänen sagen?

Brülhart: Das gemeinsam entwickelte Konzept hat einen zeitgeschichtlichen Fokus. Thematisiert werden der Umgang von totalitären Regimen mit Kunst, wie es zur Begrifflichkeit der "Entarteten Kunst" kam, welche Biografien eine Rolle spielten, insbesondere welche jüdischen Sammler Opfer des Kunstraubs und des Holocaust wurden. Und wie geraubte Werke später wieder zurück in die Museen und privaten Sammlungen gelangten.

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