Die Molche in der Badewanne

Das Leben in den 60er, 70er, 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hatte Licht- und Schattenseiten. In der Serie „Nostalgisch“ kramen SZ-Redakteure in der Mottenkiste ihrer Erinnerungen. Heute: Erstes Zusammentreffen mit der Tierwelt der heimischen Umgebung.

 Ein Teichmolch liebt die Freiheit. Badewannen sind kein Biotop. Foto: dpa

Ein Teichmolch liebt die Freiheit. Badewannen sind kein Biotop. Foto: dpa

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Heute beklagen Pädagogen, Eltern und Politiker unisono und zu Recht, dass der Nachwuchs kein Interesse mehr an der Tierwelt hat. Noch in den 60er und 70er Jahren wussten Heinz Sielmann und Professor Bernhard Grzimek mit lehrreichen TV-Sendungen über Tiere Kinder und Jugendliche zu begeistern. Der Ruhm ihrer Tiersendungen war derart enorm, dass der beste aller deutschen Satiriker, Loriot persönlich, Professor Grzimek nachahmte. Loriot war es, der die Steinlaus, den "possierlichen Nager" ins Studio holte. Die Steinlaus hatte sich am Ende durch den Beton des Radio-Bremen-Sendegebäudes gebissen und brachte es zum Einsturz.

Aber ich schweife ab. Viel prägender noch waren die persönlichen Erfahrungen mit dem heimischen Getier. So konnten wir als Kinder stundenlang auf Parkbänken sitzen, auf jeder Banklatte eine Häuschenschnecke, die - mit vorgehaltenem, schmackhaftem Blattwerk angefeuert - sich ein nervenzerfetzendes "Rennen" lieferten. Oder der Fang von Heuschrecken in der hohlen Hand, die so wunderbar kitzelnd nach einem Ausgang suchten. Sobald wir unsere Fäuste wieder öffneten, sprangen die grünen Hüpfer mit gewaltigen Sätzen zurück in das unendliche Grün der Wiese.

Noch anspruchsvoller war der Fang von Zauneidechsen, die in den Sommern der 60er Jahre zu Hunderten die Zaunpfähle und Steine für ihre Sonnenbäder bevölkerten. Mit einem geschickten Griff bekam man diese schlanken Geschöpfe vorsichtig zu packen. Wir sammelten die Eidechsen in Einmachgläsern, um sie auf unserem Spielplatz in einer Sandgrube auf einer "Insel" auszusetzen. Um die Insel herum hatten wir einen Graben gebuddelt und mit Wasser gefüllt. Doch am nächsten Morgen war das Wasser versickert und alle Eidechsen geflohen. Ebenso erging es mir mit meinem stolzesten Fang, zwei Molchen aus einem Tümpel am Waldrand. Diese setzte ich in die mit Wasser gefüllte Badewanne unserer Mietwohnung, um das Sozialleben dieser Amphibien zu studieren. Leider verschwanden auch diese beiden im Dunkel der Nacht. Zwei Wochen später entdeckte meine Mutter eine vertrocknete Molchhülle unter dem Wohnzimmerteppich. Das Schicksal des anderen Molchs ist bis heute ungeklärt.

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