Die Kunst und die Menschlichkeit

Schauspieler Burghart Klaußner (67) ist einer der Großen – ob auf der Bühne, im Kino oder Fernsehen. Für seine Darstellung eines unbeugsamen Staatsanwalts in „Der Staat gegen Fritz Bauer“ gewann er vor einem Jahr den Günter Rohrbach Filmpreis in Neunkirchen. In diesem Jahr hat er die Jury des Rohrbach-Preises geleitet. SZ-Redakteur Tobias Kessler hat mit ihm gesprochen.

 Spielt, inszeniert und tritt manchmal auch als Sänger auf: Burghart Klaußner.

Spielt, inszeniert und tritt manchmal auch als Sänger auf: Burghart Klaußner.

Foto: Max Parovsky

Vor einem Jahr haben Sie in Neunkirchen Ihr Preisgeld von 3000 Euro an die Caritas Neunkirchen für deren Flüchtlingsarbeit gespendet. Sind solche Gesten heute sogar nötiger als 2015?

Klaußner: Nicht unbedingt in finanzieller Hinsicht, denn die Lage insgesamt im Land hat sich ja verbessert, die Kommunen scheinen sie einigermaßen im Griff zu haben.

Aber die Stimmung gegen Flüchtlinge und Ausländer allgemein hat sich verfinstert, deshalb dachte ich etwa an Spenden als wichtige symbolische Geste.

Klaußner: Diese Stimmung ist natürlich extrem beunruhigend. Man bekommt das Gefühl, die Deutschen hätten nichts gelernt. Die abenteuerlichsten Leute schwadronieren durch die Lande, ob sie sich nun Reichsbürger nennen oder Hitlerjugend, die es ja vielleicht auch schon wieder gibt. Das ist finsterstes Mittelalter - und man fragt sich, wofür man die ganze Zeit als Künstler geredet und geackert hat.

Was kann Kunst da ausrichten? Im Saarländischen Staatstheater läuft gerade "Andorra" - aber kann solch ein Stück einen Ausländerfeind bekehren? Falls er es sich überhaupt anschaut.

Klaußner: Steter Tropfen höhlt überall den Stein. Es ist die Aufgabe der Kunst, die Menschlichkeit, die Zivilisiertheit voranzutreiben. Ob sie jeden einzelnen erreicht oder per se die Gesellschaft verbessert, darf man nicht erwarten. Aber die Kunst muss es versuchen. Ohne diese Aufgabe gibt es die Kunst gar nicht. Die Filme, die in Neunkirchen in eine engere Wahl gekommen sind, liegen genau auf dieser thematischen Linie, was mich sehr freut.

Sie haben am Staatsschauspiel Dresden Ferdinand von Schirachs Stück "Terror" inszeniert, in dem das Publikum diskutiert, ob ein Pilot ein gekapertes Flugzeug abschießen darf, um einen noch größeren Terrorakt zu verhindern. Wie war die Reaktion?

Klaußner: Ich habe selten erlebt, dass ein Publikum so engagiert diskutiert hat. Wobei man das Ganze nicht zur Verfassungsdiskussion hochstilisieren darf. Gerhard Baum hat recht, wenn er davor warnt, zu glauben, man könne bestimmte verfassungsrechtliche Fragen mit einer Umfrage klären.

Wie sehen Sie die Schuldfrage?

Klaußner: Ich bin inzwischen ganz auf der Seite von Baum und halte den Piloten für schuldig. Denn der Pilot schneidet den Passagieren ja jede Möglichkeit ab, sich vielleicht doch noch, wie in ähnlichen Fällen geschehen, zu wehren. Und der Autor spitzt das Ganze so zu, dass eigentlich jede Entscheidung falsch ist.

Wie fanden Sie die TV-Version des Stücks, in der Sie ebenfalls den Richter spielten?

Klaußner: Mein Freund Lars Kraume, Regisseur unseres Filmes "Der Staat gegen Fritz Bauer", hat das brillant gemacht, es ist ja ziemlich kompliziert, ein kammerspielhaftes Gerichtsdrama fürs Fernsehen zu verfilmen. Aber es fällt auf, dass eines offenbar nicht möglich ist, was man im Theater dringend braucht: Pausen, Momente, in denen scheinbar nichts passiert. Pausen sind im Fernsehen offensichtlich unmöglich. Der Zuschauer scheint am steten Fortgang der Handlung zu hängen wie an einer Nabelschnur.

In Ihrer Filmografie findet man keine qualitativen Ausfälle - wie wählerisch sind Sie?

Klaußner: Ich war schon sehr wählerisch und habe mir sehr genau überlegt, was ich mache. Sonst hätte es mir keinen Spaß gemacht. Natürlich gibt es auch bei mir ein paar Sachen, bei denen ich heute sage, das hätte nicht sein müssen.

Deren Titel Sie sicher nicht nennen wollen.

Klaußner: Stimmt.

Wirklich präsent wurden Sie im Kino erst vor zehn Jahren mit "Die fetten Jahre sind vorbei".

Klaußner: Mit der Filmarbeit habe ich erst Mitte, Ende der 90er Jahre angefangen, vorher vor allem Theater und ein bisschen Fernsehen. Aber es ist eben so: Wenn man sich an speziellen, eher seriösen Themen abarbeitet, wird man nach außen später sichtbar, als wenn man gleich mit Riesenkomödien anfängt oder dem "Tatort".

Kein Format, das Sie schätzen?

Klaußner: Diese Krimischwemme finde ich so albern wie sonst irgendwas. Es hat mit unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit wenig zu tun. Sei's drum - es ist eine große Sparte im Fernsehen. Aber wenn man die nicht bedient, dauert alles halt ein bisschen länger. "Die fetten Jahre sind vorbei" war ein Höhepunkt, "Das weiße Band" und "Goodbye Lenin". Filme etwa wie "Requiem" von Hans-Christian Schmid sind unglaublich toll, wurden aber nicht - um es vorsichtig zu sagen - von sehr vielen Leuten gesehen. Aber ich kann gut damit leben. Ich weiß, dass das gute Arbeit war.

Wenn Sie kleinere Rollen in internationalen Filmen wie "Der Vorleser" oder "Bridge of Spies" spielen, müssen Sie den Film nicht tragen - ist das wie ein entspannender Arbeitsurlaub?

Klaußner: "Bridge of Spies" ist das beste Beispiel - ich habe als durchgeknallter DDR-Fuzzi da nur eine Szene, die aber liebe ich. Das hat irrsinnigen Spaß gemacht, ist aber nicht weniger anstrengend als eine Riesenrolle, sondern eher herausfordernd: Man muss in kürzester Zeit schauspielerisch alles auf den Tisch legen, mit Tom Hanks und Regisseur Steven Spielberg.

Hatten Sie Ehrfurcht vor Spielberg?

Klaußner: Nö, der ist ja sehr lustig. Und Ehrfurcht gehört nicht zu meinen hervorstechendsten Eigenschaften. Ehre, wem Ehre gebührt - aber bitte ohne Furcht. Die ist entbehrlich.

Im Frühjahr spielen Sie Brecht in einem Film von Heinrich Breloer. Bereiten Sie sich da anders vor als bei einer fiktiven Figur?

Klaußner: Auf jede Rolle bereitet man sich ein ganzes Leben lang vor, weil man ja aus dem eigenen Fundus schöpft. Aber bei einer historischen Figur versuche ich Besonderheiten auf die Spur zu kommen. Das wird bei Brecht, der auf seine Weise ja ein Sonderling war, keine leichte Aufgabe, auch bei der Sprache nicht. Ich bin zwar sieben Jahre in München zur Schule gegangen, aber der Dialekt in Brechts Geburtsstadt Augsburg ist etwas Anderes. Aber ich vertraue einfach auf eine gewisse Intuition. Irgendwo im Bereich dieser Persönlichkeit wirft man als Schauspieler seine Angel aus - und wenn man Glück hat, zieht man eine große Portion nach oben.

Preisverleihung am Freitag,

20 Uhr, Neue Gebläsehalle NK.

Karten: Tel. (06 51) 979 07 77.

Zum Thema:

Zur Person Burghart Klaußner, 1949 in Berlin geboren, trat unter anderem an der Schaubühne auf, am Schiller-Theater und am Deutschen Schauspielhaus in Hamburg. Im Kino arbeitete er mit Christian Petzold ("Yella"), Michael Haneke ("Das weiße Band"), Hans-Christian Schmid ("23" und "Requiem") und Steven Spielberg ("Bridge of Spies"). Klaußner inszeniert auch am Theater und tritt als Sänger auf. red

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