Die Kultur wird eingetrommelt

San Sebastián · Sterneküche, eine Bilderbuch-Bucht und baskische Geschichte: Das nordspanische San Sebastián ist ein beliebtes Seebad, das aber gleichzeitig Jahrzehnte unter dem Terror der Eta litt. Zum Kulturhauptstadtjahr setzt es auf Gastfreundschaft und Toleranz.

Am Mittwoch wird es in San Sebastián laut. Sehr laut. Die baskische Küstenstadt wird das Kulturhauptstadtjahr 2016 nicht einläuten, sondern eintrommeln. Denn das ist der Tag des Heiligen Sebastián, des Namensgebers der Stadt. Traditionsgemäß treffen sich Tausende von Trommlern ab Mitternacht in der Altstadt. Sie bieten ausgefeilte Kompositionen, dazu wird gesungen, und das vier Tage lang. Das Fest hat seine Wurzeln in drei Kriegen um die Erbfolge Spaniens im 19. Jahrhundert, an denen sich die Basken beteiligten. Die uniformierten Trommler sind heute in rund 150 Vereinen organisiert. Nach dem zentralen Fest in der Altstadt trommelt jeder Verein in seinem Stadtteil zu einer vorgeschriebenen Uhrzeit. Nachtruhe gibt es an diesen Tagen keine. Für den Samstag der nächsten Woche ist dann die offizielle Eröffnung des Kulturhauptstadtjahrs geplant: ein Bühnenspektakel auf der barocken María-Cristina-Brücke über dem Urumea-Strom, organisiert vom katalanischen Bühnenkünstler Hansel Cereza.

San Sebastián, auf baskisch "Donostia", ist das alte Seebad der spanischen Könige. Im 19. Jahrhundert traf sich entlang des eleganten Stadtstrandes der europäische Adel. Heute ist die Stadt auch berühmt für ihre Küche, mehrere Restaurants besitzen Michelin-Sterne. In der Altstadt reiht sich eine Kneipe an die nächste, gereicht werden kleine, aber aufwendige Häppchen namens "pintxos".

Europas Suppenküche?

Die Gastronomie spielt auch im Kulturprogramm eine wichtige Rolle. Köche des "Basque Culinary Center" sowie baskische Kulturschaffende schlagen Besuchern im Februar eine Zeitreise durch die Geschichte Europas vor. "Die Reisenden werden zwölf Suppen probieren, von der aktuellen Instantsuppe bis zur hypothetischen ersten in einer Höhle zubereiteten Brühe", kündigt das Programm an.

Aber auch die ernsten Seiten seiner Geschichte spart San Sebastián nicht aus. Das Baskenland war jahrzehntelang geprägt vom separatistischen Terror der ETA. San Sebastián "hat die traurige Ehre, die baskische Stadt mit den meisten Ermordeten zu sein. Zwischen 1960 und 2011 waren es 126", sagt der Bürgermeister der Stadt, Eneko Goia, der der bürgerlichen Baskischen Nationalistischen Partei (PNV) angehört. Seit 2011 ist der Terror vorbei, die ETA beendete den bewaffneten Kampf. Doch schnell vergessen werden kann er nicht. Das Kulturjahr steht darum unter dem Motto "Kultur zum Zusammenleben". "Wir können das tolerante Zusammenleben natürlich nicht unter Vertrag nehmen", sagt Organisationsleiter Pablo Berástegui, "aber das Programm wird es fördern."

"Europa Transit" nennen die Organisatoren etwa eine virtuelle Reise in europäische Städte, die Opfer von Gewalt und Zerstörung sind oder waren. Dazu zählen neben San Sebastián die spanische Exklave Ceuta in Nordafrika, aber auch Dresden, Sarajewo und Breslau (Wroclaw), die zweite Kulturhauptstadt Europas 2016. Im Mai ist zudem die Ausstellung "1516-2016. Friedensverträge" mit Werken Goyas, Zurbaráns und Murillos zu sehen.

Das gesamte, rund 50 Millionen teure Kulturprogramm umfasst etwa 200 Beiträge. Eine wichtige Rolle spielt auch das Kino: Das Internationale Filmfestival von San Sebastián findet in diesem September zum 64. Mal statt. Es gilt als bedeutendstes Festival in der spanischsprachigen Welt.

Im Sommer dürften für Besucher die 32 Wanderwege besonders attraktiv werden, die San Sebastián ins Programm genommen hat. Wandern hat eine lange Tradition im Baskenland. Einer der Wege führt von San Sebastián über das Surferparadies Zarautz durch Weinberge zur kleinen Kapelle der Heiligen Barbara über dem ehemaligen Fischerstädtchen Getaria. Der Ausblick auf die Weinberge, die Strände und den Atlantik ist großartig.

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