Die Flohfalle in den Klamotten

Mannheim · Die Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim versuchen sich in einer umfassenden Darstellung des Barock-Zeitalters. „Barock – nur schöner Schein?“ bietet einen Rundgang durch die Kunst- und Kulturgeschichte.

 Bildnis einer Lesenden, von Peter Paul Rubens / Jan Boeckhorst aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Foto: Jean Christen/REM

Bildnis einer Lesenden, von Peter Paul Rubens / Jan Boeckhorst aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Foto: Jean Christen/REM

Foto: Jean Christen/REM

Von Körperhygiene hatten die Menschen des Barock eine ganz eigene Vorstellung. Wasser war verpönt, weil man befürchtete, dass es Krankheitskeime in die Haut spülte. Also puderte man, was die Perücke aushielt, rieb sich mit feinen Tüchern ein und parfümierte sich gegen Geruch. Gebadet wurde nur mit medizinischen Zusätzen als Therapie gegen so manches Zipperlein; gegen unangenehme Begleiter half eine Flohfalle in den unzähligen Kleidungsschichten.

Die Ausstellung "Barock - Nur schöner Schein?" macht deutlich, dass die Annehmlichkeiten des 17. und 18. Jahrhunderts vor allem der Oberschicht vorbehalten waren. So erzählt die Ausstellung weitgehend die Geschichte der Betuchten und Mächtigen. Während Adel und Klerus im Reichtum schwelgten, war die ärmere Bevölkerung den Wirren der Zeit ausgeliefert. Konfessionelle Auseinandersetzungen, Kriege, Hungersnöte und Pestepidemien beutelten sie. Angesichts solcher Gefahren war der barocke Mensch von einem tiefen Todesbewusstsein geprägt. Vanitas-Stillleben und Memento-Mori-Darstellungen drückten diese Angst aus. Prachtvolle Blumensträuße erinnern an die Vergänglichkeit von Schönheit und Jugend und an das Vergehen alles Irdischen. Totenschädel, erlöschende Kerzen und rieselnde Sanduhren sind eindrückliche Zeichen für das Verrinnen der Lebenszeit.

Trotz der sozialen Unterschiede herrschten Aufbruchsstimmung und Begeisterung. Aufklärung und Wissenschaft erfassten die Gesellschaft des 16. Jahrhunderts. Technischer Fortschritt, Wissenschaft und Kulturaustausch veränderten die Welt. Bildung, Handel und Konsum ließen ein Bürgertum entstehen, das das Ständewesen ins Wanken brachte. Wirtschaftliche Innovationen, medizinische Errungenschaften und kulturgeschichtlicher Wandel waren allgegenwärtig. Das beweist die Ausstellung mit 300 Exponaten in geradezu barocker Fülle.

Unter den Überschriften Raum, Körper, Wissen, Ordnung, Glauben und Zeit gliedert sich die Sonderausstellung in sechs Kapitel. Wie sehr sich die Sicht auf die Welt ab dem 16. Jahrhundert veränderte, beweist das Kapitel "Raum". Mobilität und Erfindungen wie das Fernrohr führten zu exakten Karten von Himmel und Erde. Diese und die Verbesserungen beim Schiffsbau erleichtern den Handel mit Übersee. Tee, Kaffee und Porzellan wurden zu Importschlagern. Luxusgüter wie exotische Gewürze und Schokolade veränderten die Küchen Europas.

Anatomische Studien vertieften das Wissen um den menschlichen Körper. Nicht ohne Schmunzeln bestaunt man Ausstellungsstücke wie einen "Christus Anatomicus" aus dem 18. Jahrhundert, dem man die Bauchdecke abnehmen kann, um die Innereien zu studieren. Die Schau überrascht immer wieder mit solch ungewöhnlichen Stücken. Das große Verdienst ist die reizvolle Verzahnung von Kunst- und Kulturgeschichte - ein kurzweiliger Rundgang.

Bis 19. Februar. Dienstag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr.

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