Die Filmbranche kuscht vor ihren eigenen Superhelden

Saarbrücken · Ein Blick ins Kinoprogramm bestätigt den Eindruck: Hollywood scheint in den vergangenen Jahren verlernt zu haben, wie man gute, neue Geschichten erfindet. Woran liegt das, fragt SZ-Mitarbeiter Sascha Rettig.

 Gewinnbringende Filmfigur: Superman fliegt von Fortsetzung zu Fortsetzung. Foto: Warner

Gewinnbringende Filmfigur: Superman fliegt von Fortsetzung zu Fortsetzung. Foto: Warner

Foto: Warner

Auf der Kinoleinwand sieht man immer mehr Videospiel-Adaptionen, teure, starbesetzte Comicverfilmungen und Fortsetzungen über Fortsetzungen. Vom Fantasy-Spektakel "Warcraft: The Beginning" über den x-ten "X-Men" bis zu "Alice im Wunderland 2: Hinter den Spiegeln". Die Entwicklung setzte mit der Jahrtausendwende ein. Davor herrschte noch ein anderes Bild; da zählten "Pretty Woman", "Der mit dem Wolf tanzt", "Titanic" oder "Forrest Gump" zu den Erfolgsfilmen des Jahrzehnts.

Warum aber gibt es heutzutage kaum noch Originalstoffe unter den Blockbustern und Großproduktionen? Die Studios haben sich zuletzt in eine Blockbuster-Sackgasse manövriert, um die junge Zielgruppe zu erreichen. Der Blick auf eine (inflationsbereinigte) Liste mit den teuersten Filmen aller Zeiten zeigt, dass die Budgets in den vergangenen zehn, 15 Jahren zunehmend höher wurden. Produktionskosten von 250 Millionen Dollar sind bei den derzeitigen Effektschlachten längst keine Blockbuster-Ausnahme mehr. Die Bereitschaft, Risiken einzugehen, ist bei diesem finanziellen Druck entsprechend geringer. Das Geld soll ja schließlich wieder zurückfließen und die wichtigste Zielgruppe im Visier sind dafür nach wie vor die jungen Kinobesucher. 2015 waren laut Studie der Filmförderungsanstalt mehr als 40 Prozent der Zuschauer unter 30 Jahre alt. Passend dazu ist Hollywoods Interesse, in Großproduktionen für Erwachsene zu investieren, kaum noch vorhanden.

Da liegt es natürlich auf der Hand, erprobte Stoffe mit möglichst vielen Sequels immer weiter auszupressen. Sei es durch Bestseller-Vorlagen oder indem an den Erfolg bereits etablierter Marken angeknüpft wird. Die "Angry Birds" sind solch ein Fall. Nach dem Welterfolg als Gelegenheits-Spiel am Smartphone und auf dem Tablet kam erst die Merchandising-Flut. Nun folgte der unvermeidbare Film.

Helden wie Batman oder Iron Man haben mittlerweile nicht nur ihre eigenen Film-Serien, sondern treten in "Batman vs. Superman" oder Marvels "Avengers"-Abenteuern Seite an Seite mit anderen Helden an und sich gegenseitig auf die Füße. Eigenwillige Regisseure wie David Fincher ("Gone Girl") oder Christopher Nolan ("Inception" und "Interstellar"), die in Hollywood mit hohen Budgets arbeiten und ihre künstlerischen Ideen realisieren können, sind daher eine Rarität - genauso wie James Bond.

Um den Blockbuster-Teufelskreis mit immer bombastischerem Effektfeuer zu durchbrechen, braucht es in Hollywood aber nicht nur neue Impulse und den Mut der Macher, die Zuschauer zu fordern, sondern auch die Empfänglichkeit eines erwachsenen Millionenpublikums für andere Stoffe. Viele Erwachsene allerdings suchen sich die aufregenderen Seh-Ereignisse mittlerweile auf anderen Kanälen. Fernsehserien haben sich in den vergangenen Jahren oft als besseres Kino erwiesen. Wen zieht es ins Multiplex, wenn man zu Hause "The Walking Dead", "Breaking Bad" oder "Game of Thrones" schauen kann?

Den Glaube ans Kino sollte man trotzdem nicht verlieren: Es gibt sie schließlich noch, die originellen Filme, die nicht in enge Korsetts eingeschnürt sind. Maren Ades "Toni Erdmann", der gerade in Cannes hymnisch gefeiert wurde, ist so ein Beispiel.

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