Saarbrücker Comic-Symposium Die Comic-Kunst und das Bärenfell

Saarbrücken · Das 8. Comic-Symposium lud am Freitagabend ins Saarbrücker KuBa. Vier renommierte Künstler stellten ihre Arbeit vor – was gab es zu sehen?

 Saskia Wariner bei ihrer Lesung im KuBa. Sie lebt in New York, illustriert Bücher, gestaltet Karten und legt bald ihre erste Graphic Novel vor.

Saskia Wariner bei ihrer Lesung im KuBa. Sie lebt in New York, illustriert Bücher, gestaltet Karten und legt bald ihre erste Graphic Novel vor.

Foto: Tobias Keßler

Manchmal, da muss man als Künstler eben in einem Bärenkostüm durch ein Einkaufszentrum stapfen, irgendwo zwischen Leipzig und Halle. Und freundlich winken, so lange die Arme mitmachen. Nicht als Recherche, sondern um Geld zu verdienen, weil die eigene Kunst noch nicht genug einbringt. So war das einmal bei Anna Haifisch, einem der vier Gäste beim 8. Comic-Symposium in Saarbrücken, das am Freitag zum mittlerweile dritten Mal im Kulturzentrum KuBa am Eurobahnhof stattfand. Groß war das Interesse, zwischendurch mussten zusätzliche Stühle herangeschleppt werden; der Abend (mit Büchertischen, Lese-Ecke und Pizza), kuratiert/organisiert von Joni Majer, Elizabeth Pich und Jonathan Kunz, zeigte sehr unterschiedliche Stile und Herangehensweisen der Künstler an die Comic-Kunst.

Anna Haifisch erzählte trockenhumorig von ihrem Studium in Leipzig, von ihrer Zeit in Amerika, wo, wie sie damals hoffte, künstlerisch „das wilde Zeug passiert“. Dort wohnte sie in einem „Rattenloch“, konnte sich aber weiter tief in die Materie der Drucktechnik versenken, bevor sie, zurück in Deutschland, nach dem Diplom erstmal im Lager eines großen Bekleidungshauses arbeitete („super Job, aber so zeitaufwendig“) – und eben auch in ein Bärenkostüm stieg. Beim Symposium las sie aus ihren hinreißenden Arbeiten, etwa aus dem Band „Von Spatz“, der in eine Klinik für nervlich angeschlagene Künstler führt, Walt Disney inklusive. Überhaupt ist die Existenz als Künstler mit ihren hellen Glücks- und dunklen Unglücksmomenten ein grundlegendes Thema bei Haifisch. Ihrer Figur „The Artist“, einem vogelähnlichen Hungerhaken mit trauriger Miene, widmet sie regelmäßig Geschichten, melancholisch, bittersüß und mit sarkastischem Witz. Die Absage etwa eines Ausstellungshauses an den Künstler liest sich so: „Ihr weinerlicher Nihilismus passt nicht in unsere Galerie.“ Oha. Formal haben Haifischs Motive mit Bildunterschriften und ohne Sprechblasen kaum etwas zu tun mit dem klassischem Comic und seinen eng verbundenen Bildfolgen. Von dieser Panel-Struktur hat sich Haifisch schon lange verabschiedet: Zu viele Wiederholungen gebe es da, davon habe sie irgendwann genug gehabt.

Ganz anders sieht das Saskia Wariner – sie liebt die gewohnte Panel-Struktur und zeigte als Einstieg und Hommage eine Vier-Bilder-Folge aus Bill Wattersons Klassiker „Calvin und Hobbes“. Mit je einem Bild als Einleitung – Ziel – Konflikt – Lösung ließen sich wunderbar große Geschichten im Kleinen erzählen. In Düsseldorf hat Wariner studiert und ging dann nach New York, wo sie nach zwei Tagen einen Job als Zeichnerin fand (ein Bärenkostüm blieb ihr erspart), dort nun lebt und ihre Kunst auf allen möglichen Feldern erprobt: ob für eine Firma, die Spiele für Handys entwickelt, als Illustratorin (etwa für das Buch „Feminist Fight Club“ von Jessica Bennett), als Gestalterin origineller Grußkarten oder GIF-Animationen. Ihr persönliches Mantra: immer arbeiten, weiterbilden, sich vernetzen und, das klang ein bisschen nach ihrer Wahlheimat, immer an sich glauben.

 Lasse Wandschneider, den nach Auslaufen seines „Micky Maus“-Abos   Comics erst einmal nicht mehr interessierten.

Lasse Wandschneider, den nach Auslaufen seines „Micky Maus“-Abos Comics erst einmal nicht mehr interessierten.

Foto: Tobias Keßler

Luke Skywalker und Darth Vader aus „Star Wars“ im Supermarkt um die Ecke? Bei Alice Socal geht das. Ihr Band „Luke“ war eine der Arbeiten, die die Italienerin (mit Hamburg-Studium) im KuBa vorstellte. Einen großen Bogen schlägt ihre Arbeit, von der verspielten Vater-Sohn-Geschichte „Luke“ über kleine Zeichnungen als Tagebuch („auch um das Gefühl zu haben, etwas zu machen“) und rasch am iPad Hingezeichnetes, das Socal ironisch „digitalen Unsinn“ nennt, bis hin zu großen Bänden. Mit zartem Strich und voller Melancholie erzählt etwa „Cry me a river“ von einer schal gewordenen Liebe, „Sandro“ dagegen von einem Mann, der sich nur schwer von seiner Kindheit lösen kann – und von einem imaginierten Freund dieser Zeit. Bittersüß, aber nicht bitterernst, denn Socal schätzt „Humor und Ironie, um den Stoff zu entschärfen“, wobei sie sich gerne der Spontanität überlässt: „Es wundert mich, dass ich das gezeichnet habe“, war so ein typischer Socal-Satz.

 Anna Haifisch erfreute mit einer wunderbar trockenhumorigen Lesung.

Anna Haifisch erfreute mit einer wunderbar trockenhumorigen Lesung.

Foto: Tobias Keßler

Etwas theoretischer geht Lasse Wandschneider zu Werke, nachdem ihn Comics einige Jahre gar nicht mehr interessiert hatten, wie er im KuBa erzählte. Das „Micky Maus“-Abo in seiner Kindheit war irgendwann ausgelaufen, und erst beim Studium der Illustration sei er wieder auf diese Kunst gestoßen, „wobei mich erst einmal die formalen Aspekte interessiert haben“. Etwa, wie vergehende Zeit mit einzelnen Bildern erzählt wird oder wie weit man bei bildlicher Reduktion und Abstraktion gehen kann. Wandschneider zeigte eigenwillige, höchst originelle Arbeiten, die oft surreal wirken, in denen er manchmal Gedichte bildlich umsetzt (eines von Erich Mühsam etwa) und sich eine ganz eigene Welt erschafft, mit verzerrten Perspektiven und Körperproportionen. Plattenhüllen entwirft der Künstler auch, gibt Workshops mit Kindern, macht Ausstellungen, arbeitet viel mit Kollegen zusammen und freut sich am meisten über Aufträge mit maximaler Freiheit. Sein liebster bisher war eine Anfrage eines australischen Magazins: „Willst Du uns nicht zwei Seiten zeichnen, ganz so, wie Du willst?“ Das ist beneidenswert.

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