Deutscher Pavillon in Venedig Wer oder was bin ich?

Venedig · Natascha Süder Happelmann gestaltet den deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig. Schon der Name ist falsch. Die Bremer Professorin spielt mit Identitäten. Wer ist die Künstlerin?

  Natascha Sadr Haghighian (alias Natascha Süder Happelmann) bei einer Pressekonferenz.

Natascha Sadr Haghighian (alias Natascha Süder Happelmann) bei einer Pressekonferenz.

Foto: dpa/Wolfgang Kumm

Eine Annäherung an Natascha Süder Happelmann? Die  scheitert rasch an den von der Künstlerin Natascha Sadr Haghighian gesetzten Grenzen. „Das Spiel mit Identitäten beherrscht diese wie kaum jemand“, ist über sie zu lesen. Sie möchte sich herkömmlichen Beschreibungen verschließen, heißt es. Dennoch ist einiges über die Deutsch-Iranerin zu erfahren, die bei der Biennale in Venedig (ab diesem Samstag bis zum 24. November) den deutschen Pavillon gestaltet.

Natascha Süder Happelmann ist ein Pseudonym, das Haghighian für ihre Arbeit benutzt bei der nach der documenta in Kassel wichtigsten Präsentation von Gegenwartskunst. Es soll eine von zahlreichen Varianten sein, in denen ihr Namen durch falsche Aussprache oder Missverständnisse geschrieben oder gesprochen wurde. Während einer Pressekonferenz zur Biennale steckte ihr Kopf in einer steinartigen Skulptur. Gleichzeitig sprach eine Schauspielerin für sie. Bei einem Künstlergespräch zum Thema Identität setzte sie sich eine Papiermaske auf. Interviews lehnt sie ab. Für die „Süddeutsche Zeitung“ beantwortete sie immerhin fünf Fragen mit Zeichnungen, die an Tonsequenzen erinnern.

Haghighian hat seit 2014 eine Professur für Bildhauerei an der Hochschule für Künste in Bremen. In der Kursankündigung heißt es: „Formen und Gestalten beinhaltet auch Denkprozesse. Deshalb ist das Sprechen, Diskutieren, Fragen und Untersuchen ein wichtiger Teil unserer Aktivitäten in der Klasse.“ Gefragt werde danach, was in der Welt als Kunst funktioniere. „Wo kommt Material her? Was ist ein Kunstwerk und wovon ist es Teil? Was sind die oft feinen Unterschiede zwischen einem Ding, einem Objekt, einer Ware und einem Kunstwerk?“

Haghighian ist wohl 1967 in Teheran geboren. Es gibt aber auch Beschreibungen ihrer Person mit Angaben zu Teheran (1963), Budapest (1987), München und Kassel (jeweils 1979). Das New Yorker Museum of Modern Art macht die Künstlerin älter: Dort ist sie 1953 geboren. Für Haghighian ist Verwirren Konzept. Sie gründete die Biografie-Tauschbörse bioswop.net, auf der Künstler ihre Lebensläufe wechseln können.

Welche Art von Kunst macht sie? Happelmanns Arbeit artikuliere sich in Text, Bild, Raum und Sound, umschrieb es Franciska Zólyom, Kuratorin des deutschen Pavillons und Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig. Die Künstlerin bringe das poetische, imaginäre und kritische Potenzial von Kunst in unterschiedlichen Kontexten zur Entfaltung. Die Werke sind oft politisch und gesellschaftskritisch. Ein Beispiel ist „Pssst Leopard 2A7+“. Die Arbeit ist in der Grundfläche so groß wie der gleichnamige Kampfpanzer. Auf drei Lagen Euro-Paletten sind Lego-Basisplatten in Grau, Blau und Grün ähnlich einem Tarnmuster ausgelegt. Auf der begehbaren Arbeit findet sich ein Oval aus Kopfhöreranschlüssen. Dort sind unterschiedliche Töne und Klangsituationen aus und um den Panzer zu hören. Auf einem Kanal wird aus dem Rüstungsexportbericht der Bundesregierung zitiert.

Während der documenta 13 leitete Haghighian Besucher 2012 über einen Trampelpfad, begleitet von imitierten Tierlauten, statt der benachbarten Treppe eines Kriegerdenkmals. Mit dem Kollektiv „The Society of Friends of Halit“ zeichnete sie 2017 zur documenta 14 auf beklemmende Weise einen der Morde des rechtsterroristischen NSU und dessen mögliche Verbindungen zum Verfassungsschutz nach.

In Venedig arbeitet sie mit der Berliner Kooperative für Darstellungspolitik zusammen. Auf der Seite des Pavillons sind bereits Videos zu sehen. Es sind „Aufnahmen aus Natascha Süder Happelmanns Arbeitsprozess“ für die Biennale, wie ihre Sprecherin sagt. Sie sei „damit beschäftigt, sich von verschiedenen Orten, an denen sich ruinöse Konzepte manifestieren, ein genaues Bild zu machen“. Zu sehen sind Aufnahmen mit der Künstlerin unter ihrer Kopf­skulptur vor Kasernen, Gerichten, in Wohnvierteln, auf Landstraßen.
www.deutscher-pavillon.org

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