St. Ingberter Pfanne Blutbad in Barbies Puppenhaus

St. · Der zweite Wettbewerbstag der St. Ingberter Pfanne bot präzise Beobachtungen und mitunter brutale Pointen.

 Comedian Tan Caglar, mit lässigem Galgenhumor und Fabulierlust.

Comedian Tan Caglar, mit lässigem Galgenhumor und Fabulierlust.

Foto: Kerstin Krämer

  Hurra, es gibt ihn noch: den Typus des literarischen Kabarettisten, der den Finger dicht am Puls des Zeitgeists hat. Michael Feindler ist so einer dieser vom Aussterben bedrohten Hochleistungsdenker. Einer, der seine unschuldig daher kommenden Sarkasmen und brutalen Pointen mit entwaffnend maliziösem Lächeln serviert und messerscharfe Beobachtungen poetisch verdichten und in Lieder zur Gitarre packen kann.

Am Sonntag eröffnete der Schlaks in Hosenträgern den zweiten Wettbewerbstag der St. Ingberter Pfanne und erntete in der erneut gut besuchten Stadthalle frenetischen Applaus. Denn bei dem, was er sagt, fühlt man sich oft in seinen eigenen Denkmechanismen ertappt und schluckt bitter an der Selbsterkenntnis. Feindler sinniert über Prinzipienreiterei und das menschliche Bedürfnis, die Welt in Kategorien aufzuteilen. Mit einem Blutbad in Barbies Puppenhaus bringt er rosa Mädchenträume zum Platzen und spricht Nazis radikal das Recht ab, recht zu haben. Richtig weh tut‘s, wenn er Ironie als dünkelhafte Verachtung im Gewand der Klugheit entlarvt. Und was Feindler über fehlgeleitete Bildungspolitik und die Monster, die sie gebiert, zu sagen hatte, ließ Kultusminister Ulrich Commerçon (SPD) aufhorchen: Vielleicht, überlegte der am Rande der Veranstaltung, sollte er den Feindler mal in eine Kabinettssitzung einladen.

Einem den Spiegel ohne pädagogischen Zeigefinger vorhalten, das kann auch Tan Caglar. Als Comedian „mit doppeltem Handicap“ – er ist Türke und Rollstuhlfahrer – ist Caglar quasi das selbstironische Schweizer Taschenmesser der Minderheiten und plaudert völlig unverkrampft von seiner alltäglichen Konfrontation mit Dummheit, Ignoranz und Vorurteilen. Caglars Erzählungen aus Absurdistan sind der beste Beweis, dass das Leben die groteskesten Geschichten schreibt – egal, ob er Besuche im Fitnesscenter oder Supermarkt schildert. Dass das alles befreiend komisch rüberkommt, liegt an Caglars lässigem Galgenhumor und mindestens ebenso an seiner schlagfertigen Fabulierlust – Ehrensache, dass er sich als Profi-Rollstuhl-Basketballer mit dem Publikum auch verbale Pässe lieferte.

Nachdem Feindler und Caglar die Messlatte souverän hochgelegt hatten, konnte Liza Kos – wie Caglar ebenfalls bereits TV-bekannt – in Sachen Stringenz nicht ganz mithalten: Mittendrin schien sie ihrem eigenen lakonischen Mix aus Persiflage, Parodie und Liedern nicht mehr recht zu trauen. Dabei hat die Nationalitäts-Comedy der gebürtigen und „gut intrigierten“ Russin, die deutsch und türkisch sozialisiert wurde und in deren Seele drei Klischee-belastete Identitäten miteinander kämpfen, reichlich Potenzial: Kos gefällt mit Wandlungsfähigkeit und gewährt ebenso komische wie berührende und erhellende Einblicke in das Selbst(un)verständnis einer Frau mit „Irritationshintergrund“.

Dritter und vierter Wettbewerbstag heute und morgen jeweils ab 19.30 Uhr in der Stadthalle. Preisverleihung und Abschlussparty: Freitag, 19.30 Uhr.

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