Der Waidmann und die Dämonie

Saarbrücken · Die ersten sechs Kugeln treffen, doch die siebte lenkt der Teufel, wohin er will. Carl Maria von Webers Oper „Freischütz“ erzählt eine düstere Geschichte – sie ist am Samstag in Saarbrücken zu sehen.

Es dauerte im 19. Jahrhundert nicht lange, und den Menschen dämmerte, dass die Aufklärung sie nicht nur aus ihrer Unmündigkeit befreit hatte, sondern dass "Vernunft" auch "Rationalität" bedeutete und ihr Tun fortan auf den Prüfstand der Nützlichkeit stellte. Die Romantiker beschworen Orte, in die das Diktat von Klarheit und Uhrzeit nur schwer vordringen konnte, wie die Nacht oder den Wald. In der zwielichtigen Dunkelwelt der Köhler, Pechsieder oder Glasmacher repräsentierte der Förster Recht und Ordnung. Die als Kunstmotiv aufkommende Forsthausromantik feierte den bei Tag und Nacht frei umherschweifenden, redlichen Waidmann.

Ein solcher ist auch Max in Carl Maria von Webers romantischer Oper "Der Freischütz," die schon bei ihrer Uraufführung 1821 in Berlin bejubelt wurde. Der Jäger Max muss mit einer Jagdtrophäe seine Tüchtigkeit beweisen, um die Tochter des Erbförsters heiraten zu dürfen. Aus Angst zu versagen, erliegt er der Versuchung und nimmt das unheilvolle Versprechen des Jägers Caspar an, ihm "Freikugeln" zu besorgen, Kugeln, die absolut treffsicher ihr Ziel finden. Die haben es jedoch in sich, denn "sechse treffen, aber die siebente gehört dem Bösen". Der Teufel/Samiel kann sie lenken, wohin er möchte, auf die Braut zum Beispiel. "Das Ganze schließt freudig," beruhigte Weber, der die Handlung in einem "Gespensterbuch" gefunden hatte, deutsches Brauchtum und den Wald als einen Spiegel auch der Tiefen der Seele besang, und damit nicht zuletzt Richard Wagner beeindruckte.

Was aber kann sich gegen die düstere Dämonie behaupten? Nicht Vernunft und kluges Handeln retten Max und seine Braut, sondern die Liebe und der Glaube, ländliche Unschuld und Frömmigkeit. Christopher Ward, der erste Kapellmeister des Staatsorchesters, hört in Webers Musik die Verführungskraft des Bösen in einer fast unheimlichen Deutlichkeit. Diese Wirkung sei nicht an technischen Finessen festzumachen, "dafür ist Weber zu gut", da erzeuge wohl mal ein Tremolo oder ein Pizzicato leichten Grusel; aber die Macht, mit der sich klanglich ein tiefer Schlund auftut, bleibt auch für ihn, der diese Musik bis ins Detail dechiffrieren kann, faszinierend und rätselhaft. Siegt die Angst oder siegt das Vertrauen? Ein zeitloses Ringen. An einer Stelle verliere die Musik plötzlich ihr Beharrungsvermögen, ihren Widerstand gegen das Böse, "man wird hin zu dieser Farbe, dieser Emotion entführt, ohne widerstehen zu können."

Ward kann sich kaum vorstellen, dass Weber nicht selbst seinen eigenen Verführungskünsten erlag und nach dem Komponieren einer Musik mit solcher Sogwirkung einfach zu Alltagsdingen überging. Webers Oper illustriert mit viel Hornklang gleichermaßen die glückliche Waldidylle, eine singende, gemütvolle und geborgene Welt. "Der Freischütz" versprüht mit Hits wie dem Jägerchor - "Wenn Wälder und Felsen uns hallend umfangen, tönt freier und freud'ger der volle Pokal! - mitreißende Freude, und das seit 200 Jahren. Carl Maria von Weber starb 1826 mit knapp 40 Jahren an Schwindsucht - die heutige Premiere fällt auf seinen 230. Geburtstag.

Samstag, 19.30 Uhr, Saarländisches Staatstheater. Karten:

Tel. (06 81) 309 24 86.

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