Der vergessene Augenzeuge und Stenograph des Nationalsozialismus

Saarbrücken · Konrad Heiden, der ab 1934 in Saarbrücken gegen den Anschluss des Saargebiets an Nazideutschland kämpfte, ist heute weithin vergessen. Ex-„Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust widmet ihm nun eine lesenswerte Biographie.

Wer die Hitler-Biographie von Joachim Fest gelesen hat, ist mit dem Namen von Konrad Heiden vertraut. Fest stattete Heiden mehrmals seinen Dank ab, vor allem weil Heiden in frühen Veröffentlichungen von den Anfangsjahren Hitlers in München berichtet habe. Es ist aber nur der Name Heidens, der bis heute in der Forschung auftaucht. Leben und Werk bleiben weitgehend im Dunkeln.

Diese Lücke will Stefan Aust, mittlerweile Herausgeber von "WeltN24", mit seiner Huldigung an einen Kollegen schließen. Bereits der erste Satz gibt den Ton des Buches vor: "Er war Journalist, und er hatte nur ein Thema", nämlich Adolf Hitler. Austs Begeisterung geht in die Zeit seines 60. Geburtstages zurück. 2006 erhielt der umtriebige Medienmann die 1936 erschienene Hitler-Biographie Heidens zum Geschenk. Seitdem recherchierte Aust. Das nun vorliegende Ergebnis gibt ein genaues Lebensbild Heidens.

Aust setzt die Entwicklungen Heidens und Hitlers einander als Alternativen entgegen. Der spätere Augenzeuge, 1901 in München geboren, war seit 1916 Waise. Seine Berufslaufbahn begann Heiden als Hilfsredakteur im Münchner Büro der bürgerlich-liberalen "Frankfurter Zeitung". Dort begegnete er dem jungen Propagandaredner Hitler und stenographierte geradezu die Entwicklung des Nationalsozialismus mit.

Heidens Bücher von 1932, 1934 und 1936 gehen auf jene Erfahrungen zurück. Sie beschrieben jene politische Bewegung, die 1933 den Staat übernahm. Schließlich folgt ein Personenporträt: Mit dem im Exil geschriebenen Band "Der Fuehrer. Hitler's Rise to Power" von 1944 erlangte Heiden für kurze Zeit größere Bekanntheit. Nach 1945 wurde er weder in den USA noch in Deutschland heimisch. Er litt unter einer "Zitter-Neurose": Parkinson. 1966 starb er. Heidens amerikanischer Grabstein stellt ihn als Feind der Nazis vor. Die "New York Times" würdigte ihn mit einem ausführlichen Nachruf.

Stefan Aust legt nun eine lesenswerte Lebensbeschreibung Heidens vor. Voller Entdeckerfreude. Was dazu führt, dass Aust seitenlang, wie er behauptet, aus einem unveröffentlichten Typoskript zitiert. Es ist aber seit 2013 als Buch lieferbar ("Eine Nacht im November 1938") und referiert montageartig die Reichspogromnacht - mitsamt einer kurzen Einführung in Leben und Werk Heidens. Auch setzt Aust zu sehr auf berühmte Namen, etwa Thomas Mann, der 1944 Heidens Hitler-Porträt erwähnt hat. Bereits zehn Jahre vorher rezensierte Klaus Mann ein anderes Buch Heidens, zu einer Zeit, als beide gemeinsam im Saarkampf tätig waren.

Konrad Heiden lebte von 1934 bis zum Abstimmungskampf in Saarbrücken. Danach emigrierte er nach Frankreich und schließlich in die USA.. Bei Aust wird aus Überwachungsberichten zitiert, die Straßennamen aufführen: "Brauerstraße" und "Karcherstraße". Er war Redakteur der "Deutschen Freiheit", einem Ableger der SPD-nahen "Volksstimme". Heiden kämpfte gegen den Anschluss des Saargebietes an Hitler-Deutschland und veröffentlichte zudem Artikel in "Westland" (später: "Grenzland"), der hervorragenden Zeitschrift von Peter August Stern (geboren 1907 in Burbach). Aust listet noch drei weitere Einzelveröffentlichungen auf, die Heiden entweder unter dem Pseudonym "Klaus Bredow" oder anonym mit Hilfe eines SPD-Verlages publizierte. Es war eine Zeit, in der politische Schriften sich als Mondamin-Kochbuch tarnten. Bei Heiden war es, feiner und gebildeter, einmal eine Cicero-Camouflage. Sein eher dünnes Hauptwerk aus seiner Zeit im Saargebiet, die Broschüre "Hitler rast. Die Bluttragödie des 30. Juni 1934", schilderte die Hintergründe des sogenannten Röhmputschs. Heiden gelang damit eine Innenschau der NSDAP, die die Entwicklung von der Bewegung hin zum totalitären Staat diagnostiziert und prognostiziert. Heidens Hauptinformant war Otto Strasser, ein NSDAP-Mitglied, das zum nationalrevolutionären Flügel gerechnet wurde. Sofern man davon überhaupt sprechen kann.

Um auf Austs Buch, aus dem eine Film-Doku entstehen soll, zurückzukommen: Man sollte es alleine schon wegen der mehr als 50 Seiten über das damalige Saargebiet in die Hand nehmen.

Stefan Aust: Hitlers erster Feind. Der Kampf des Konrad Heiden. Rowohlt, 382 S., 22.95 €.

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