Dem legendären Künstler auf der Spur Der Meister des Vierecks in der Kunst
Den Haag · Wo er lebte und wo er malte: Auf den Spuren des niederländischen Künstlers Piet Mondrian (1872-1944).
Farbige Vierecke, schwarze Linien und stets ein korrekter rechter Winkel. So kennt man das Werk des Niederländers Piet Mondrian. Es ist schon lange über die Museumswände hinausgetreten und hat in Alltagsgegenständen und der Popkultur seinen nicht immer geschmackvollen Niederschlag gefunden: von der Kunst zum Mode-Accessoire und Design-Kitsch, vom Bikini zum WC-Deckel.
Mondrian, der bürgerlich Mondriaan hieß, war nicht nur ein einflussreicher Künstler, er war auch Mitbegründer der 1917 ins Leben gerufenen Künstlergruppe De Stijl. Abwendung von den herkömmlichen Formen der Kunst, lautete die zentrale Forderung. Abstraktion und Reduktion sollten an die Stelle des Alten treten. Zum 100. Geburtstag erinnern viele Museen in den Niederlanden an die De Stijl-Künstler, denen sogar ein Einfluss auf das heute so erfolgreiche Dutch Design zugeschrieben wird.
Eine Retrospektive im Gemeentemuseum in Den Haag, das den größten Bestand an Mondrians besitzt, zeigt mehr als 300 Werke aus allen Schaffensperioden.
Reizvoll für Kunstfreunde, die mehr über den Menschen Piet Mondrian erfahren möchten, ist die Reise in die Provinz: In Amersfoort, wo der Künstler 1872 zur Welt kam, weisen über die Straße gespannte Fähnchen in Mondrian-Farben den Weg zu seinem Geburtshaus, das im März wiedereröffnet wurde. Zur Einführung werden auf 13 Monitoren wichtige Werke mit Licht „gemalt“, im Rhythmus zur Musik jener Jahre, schließlich war Mondrian Musikliebhaber. Hier wird seine intellektuell geprägte Kunst sinnlich erfahrbar. Unschwer zu erkennen: Der Künstler hat realistisch begonnen, was der nächste Raum bestätigt, der Frühwerke präsentiert, Landschaften und Porträts.
Danach folgt man dem Weg Mondrians, der über Amsterdam, Paris und London nach New York verlief und allmählich zu Weltruhm führte. Fotos und Texte, Filme und Hörstationen dokumentieren ein Leben, in dem es anders als in seinen berühmten, späten Gemälden nicht geradlinig zugegangen ist. Mondrian war lange Zeit ein Suchender. Als er sein Ziel einer Malerei, der alles Gegenständliche, alles Erzählerische ausgetrieben war, erreicht hatte, übertrug er diese Werkidee auch auf sein Umfeld. Im Mondriaanhuis in Amersfoort ist sein legendäres Pariser Wohn-Atelier originalgetreu nachgebaut. Wer es betritt, bewegt sich in einem dreidimensionalen Mondrian-Gemälde. Gemütlich ist anders.
All das ließ sich nicht erahnen, als Mondrian seine ersten künstlerischen Versuche unternahm. Die Familie lebte da schon in Winterswijk an der Grenze zum Münsterland. Der Vater, der Volksschullehrer war, und der Onkel, ein Maler, unterrichteten ihn. Manche Motive sind fast unverändert. Beim Spaziergang durch das Städtchen findet man Reproduktionen, die dies belegen. Auch in der stillen Landschaft der Achterhoek fand der angehende Künstler Anregungen, bis es ihn im Alter von zwanzig Jahren nach Amsterdam verschlug.
Hauptziel der Kunstfreunde ist die Villa Mondriaan, in der die Familie gelebt hat. Inklusive Nachbarhaus und neuem Anbau ist sie vor vier Jahren zu einem Ausstellungszentrum gewachsen, das frühe Mondrians und Arbeiten von Vater und Onkel zeigt. Wie in Amersfoort wird auch kleinen Wechselausstellungen Raum geboten. Die Schau in Winterswijk verdeutlicht, vor Mondrian-farbigen Wänden, dass auch die Künstlerkollegen van Doesburg, Bart van der Leck und Georges Vantongerloo figurativ angefangen haben. Zudem ist der Villa Mondriaan ein Pavillon angegliedert, der aktuellen niederländischen Designern vorbehalten ist.
Die Häuser in Amersfoort und Winterswijk sind keine Erinnerungsstätten, in denen die Zeit stehen geblieben ist. Dass sie nicht nur Mondrian, sondern auch aktuelle Entwicklungen in den Blick nehmen, erhöht den Reiz eines Besuchs. Nicht zuletzt lohnt die Reise ins kleine Winterswijk wegen seiner Lage in der Achterhoek, in der man gut entschleunigen kann, und ins große Amersfoort wegen seiner schönen, von Grachten durchzogenen Altstadt. Auf diese Weise eingestimmt, wartet als Höhepunkt der Mondrian-Tour die Retrospektive in Den Haag.
Informationen:
www.gemeentemuseum.nl (Den Haag)www.mondriaanhuis.nl (Amersfoort)
www.villamondriaan.nl (Winterswijk) www.holland.com