Sänger Ian Gillian von Deep Purple Schreihals und zugleich Stimme von Jesus

Frankfurt a.M. · Mit seiner Band „Deep Purple“ stieg Ian Gillian zum Superstar des härteren Rock auf. Noch immer gilt der Brite, der heute seinen 75. Geburtstag feiert, als einer der besten und einflussreichsten Rocksänger.

 Ein neues Album zum 75. Geburtstag: Rocksänger Ian Gillan hat gut lachen, als er mit seiner Band Deep Purple ein Musikvideo für den Song „Vincent Price“ dreht, der auf dem 21. Studioalbum der Band erscheint.

Ein neues Album zum 75. Geburtstag: Rocksänger Ian Gillan hat gut lachen, als er mit seiner Band Deep Purple ein Musikvideo für den Song „Vincent Price“ dreht, der auf dem 21. Studioalbum der Band erscheint.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Ian Gillan gibt in dem Song „Gethsemane“ eine stimmgewaltige Vorstellung davon, wie Jesus sich im Angesicht des Todes gefühlt haben muss. Er jammert, flucht und stößt markerschütternde Schreie aus in seiner Verzweiflung und Angst: „Mein Gott, sag mir, warum soll ich sterben?“ Bis heute ist es große Stimmkunst, was der britische Rocksänger bei der Schallplattenaufnahme des Rockmusicals „Jesus Christ Superstar“ (1970) leistete. Gillan gab Jesus Christus eine Stimme in dem Bühnenwerk über die letzten sieben Tage vor dessen Kreuzestod. Mit seiner Band „Deep Purple“ stieg er selbst zum Superstar des härteren Rock auf. Heute vor 75 Jahren wurde Ian Gillan im westlichen Londoner Stadtbezirk Hounslow geboren.

Gillan gilt bis heute als einer der besten und einflussreichsten Rocksänger. Er ist, was man unter Musikern mit Respekt einen „Shouter“, einen „Schreihals“, nennt: Sein Markenzeichen sind die ungezügelten Schreie, die den Songs eine besondere Dramatik verleihen. In beängstigende Höhen vermochte er zu seinen Glanzzeiten in den 1970er Jahren seine kraftvolle Stimme zu schrauben. 1969 stieg er bei der ein Jahr zuvor gegründeten Band „Deep Purple“ ein.

Mit ihrem improvisationsfreudigen und mit klassischen Zitaten gewürzten Hochgeschwindigkeits-Rock bildeten Gillan, Ritchie Blackmore (Gitarre), Jon Lord (Keyboards), Ian Paice (Schlagzeug) und Roger Glover (Bass) eine der ersten Hardrock-Bands. Diese frühe „Deep Purple“-Formation von 1969 bis zu Gillans erstem Ausstieg 1973 gilt mit Songs wie „Speed King“, „Black Night“, „Highway Star“ und vor allem „Smoke On The Water“ als richtungsweisend für die Rockmusik.

Kennzeichnend für „Deep Purple“, die geschätzt etwa 150 Millionen Alben verkauften, ist das „Frage-und-Antwort-Spiel“ zwischen Gitarre, Hammond-Orgel und auch Gillans Stimme. Dabei duellieren sich die Musiker mit langgedehnten Improvisationen.

Nach mehreren Aus- und Wiedereinstiegen und wenig erfolgreichen Versuchen als Solokünstler ist Gillan mit der durch Streitereien und Personalwechsel geprägten Band bis heute unterwegs. Gerade haben „Deep Purple“ ihr 21. Studioalbum „Whoosh!“ veröffentlicht und befinden sich auf einer ausgedehnten und nun durch Corona unterbrochenen Abschiedstournee.

Mit dem epischen „Child in Time“, das 1970 als Studioversion auf dem bahnbrechenden Album „Deep Purple In Rock“ erscheint, liefert Gillan als 25-Jähriger gleich zu Beginn seiner Karriere sein Meisterstück. In der mehr als zehnminütigen Nummer präsentiert er die ganze Bandbreite seiner Vier-Oktaven-Stimme. Berühmt sind die langgezogenen „A-a-ahs“ seines ekstatischen Gesangs.

Der damals noch unbekannte, gerade 21 Jahre alte britische Musical-Komponist Andrew Lloyd-Webber („Phantom der Oper, „Evita“, „Cats“) und der Texter Tim Rice sind fasziniert von Gillans Können. Sie bitten ihn, für das Doppelalbum „Jesus Christ Superstar“ die Stimme der Hauptfigur zu übernehmen. „Unser Jesus sollte sehr forsch und offen, teilweise auch hysterisch sein können – ein sehr kraftvoller Charakter, den am besten ein Rocksänger darstellen konnte“, erinnert sich der Texter Rice.

Gillan, der katholisch erzogen wurde und wie so viele Rock- und Popstars seinen ersten Kontakt zur Musik im Kirchenchor fand, willigt ein. In nur drei Stunden habe er die Jesus-Passagen im Studio eingesungen, erzählt Gillan. Sich selbst bezeichnet er als spirituellen Menschen, religiöse Dogmen lehnt er ab. Der „Deep Purple“-Sänger habe diese Aufgabe „brillant“ erfüllt, sagt Rice später.

„Jesus Christ Superstar“ ist eines der damals angesagten Konzeptalben, erstmals verbindet sich hier Rockmusik mit einem religiösen Thema – ein Wagnis vor 50 Jahren. Beim jungen Publikum kommt das Album bestens an, in den USA steigt es zeitweise gar auf Platz eins der Charts. Konservative Christen und manche Medien sind jedoch wenig begeistert. Sie werfen dem Musical Gotteslästerung vor: Der „Verräter“ Judas erscheint in seiner Zerrissenheit als sympathische Figur, ganz anders als in der biblischen Vorlage. Offen bleibt auch, ob Jesus wirklich der Gottessohn ist. In der erzählten Geschichte glaubt er zwar, der Messias zu sein. Aber in der Nacht vor seinem Tod ist er im Garten Gethsemane einfach nur ein Mensch, einsam und zu Tode verängstigt.

Das 1971 uraufgeführte Bühnenstück wird für den Musical-Papst Andrew Lloyd Webber zu seinem ersten Riesenerfolg – bis heute wird es in Theatern weltweit gezeigt. Die Einladung von Webber und Rice, auch auf der Bühne Jesus zu mimen, schlägt Gillan aus. Lieber geht der bodenständige Sänger, der Whisky und Fußball liebt, mit seiner Band auf Tour. „Ich hatte niemals Interesse am Schauspielen. Ich bin kein Schauspieler, ich bin ein Musiker.“

(epd)
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