Ausstellungen Exil ist harte Arbeit

Köln · Das Kölner Museum Ludwig zeigt ab diesem Wochenende in der bislang größten Retrospektive auf ihr Werk die (Video-)Installationen, Zeichnungen und Fotos der ägyptischen Künstlerin und Feministin Nil Yalter.

(epd) „Unser größtes Problem hier ist die Sprache“, sagt der junge Türke. „Manchmal wird man als Ausländer schlecht behandelt.“ Außerdem sei es sehr schwierig, in Paris eine Wohnung zu finden, klagt ein türkischer Bauarbeiter. „Die Leute vermieten nicht an Fremde.“ Die Aussagen der Gastarbeiter, die Nil Yalter 1977 für ihre Video-Arbeit „Turkish Immigrants“ befragte, sind 42 Jahre später aktuell wie eh und je. „Die Probleme der Migranten sind heute dieselben. Keiner will sie“, beobachtet die türkische Künstlerin, die seit 1965 in Paris lebt.

Die nach wie vor hohe Aktualität ihrer Arbeiten mag ein Grund dafür sein, dass die 1938 geborene Künstlerin in den letzten Jahren wiederentdeckt wurde. Das Museum Ludwig präsentiert unter dem Titel „Nil Yalter. Exile Is a Hard Job“ nun von diesem Wochenende an bis zum 2. Juni die bislang erste Überblicksschau Yalters in Deutschland. „Es ist die größte Ausstellung, die ich in meinem Leben hatte“, sagt Yalter, die sich in Köln bewegt von der Aufmerksamkeit zeigt, die ihr Werk in jüngster Zeit erfährt. „Ich kann das gar nicht glauben.“

Wiederentdeckt wurde Yalters Werk, nachdem sie 2007 an der Schau „Wack! Art and the Feminist Revolution“ beteiligt war. Die in Los Angeles und New York gezeigte Ausstellung thematisierte erstmals die feministische Revolution in der Kunst. Bereits in den 70er Jahren galt Yalter als Protagonistin der feministischen Kunst-Bewegung in Frankreich. Ihre Video-Arbeit „The Headless Woman or The Belly Dance“ (1974), die nun in Köln zu sehen ist, gilt in Frankreich als einer der frühen Klassiker feministischer Kunst.

Aufmerksamkeit erregte Yalter auch damit, dass sie als erste Künstlerin in Frankreich Videos als künstlerisches Medium einsetzte. In den 90er Jahren hatte sie bei der Nutzung der neuen Möglichkeiten der 3D-Animation die Nase vorn. Das Museum Ludwig entdeckte Yalter bereits vor einigen Jahren wieder, nachdem sie bereits vor über 40 Jahren in der Gruppenausstellung „Projekt ‚74“ in Köln zu sehen war. „Ich war dort wahrscheinlich die unbekannteste Künstlerin“, sagt Yalter. 2016 jedoch erwarb das Museum Ludwig ihre siebenteilige Collagen-Arbeit „D‘Après ‚STIMMUNG‘“ (1973).

Die Arbeit „Topak Ev“, mit der Yalter 1974 in Köln vertreten war, ist nun erneut in der Domstadt zu Besuch. Es handelt sich um ein von Yalter nachgebautes Nomaden-Zelt sowie neun Collagen, die sich mit Material und Herstellung der Jurte beschäftigen. Yalter hatte 1973 mehrere Tage mit dem anatolischen Nomadenstamm verbracht. Dort ist es Tradition, dass Frauen ihre eigene Jurte bauen, zu der der Mann nur Zutritt hat, wenn sie es erlaubt. Zugleich verlassen die Frauen das Zelt aber auch kaum.

 „Die Jurte ist ihr Territorium und ihr Gefängnis“, sagt Yalter. Auf die Wände des Zeltes schrieb Yalter Zeilen aus einem Roman des Autors Yasar Kemal, die vom andauernden Exil der Nomadinnen und Nomaden handeln.

Migration und Exil als internationales Phänomen thematisiert Yalters Inatallation „Temporary Dwellings“ (1974-1977). Auf sechs Bildschirmen spiegeln sich parallel die Lebensumstände von Migranten in Paris, Istanbul und New York: Kinder spielen in engen, unasphaltierten Gassen, Frauen sitzen an Nähmaschinen und schütteln Teppiche aus. Physisch anwesend sind diese Lebenswelten durch ein Sammelsurium an Gegenständen, die Yalter vor den baufälligen Unterkünften der Migranten aufgelesen und in Collagen verarbeitet hat: Sand, zerknautschte Coladosen oder das Stück einer zerbrochenen Schallplatte.

Yalter verfolgt eine sozial engagierte Ästhetik, indem sie den Blick konsequent auf gesellschaftliche Randgruppen richtet. So beschäftigt sich die Installation „La Roquette“ mit dem gleichnamigen früheren Pariser Frauengefängnis. In einem Video erzählt die Insassin Mimi von ihren Erfahrungen. Yalter verdichtet die Erlebnisse darüber hinaus in Fotografien und Zeichnungen. Mit ihrer Arbeit „Le Chevalier“ begleitet die Künstlerin einen Mann, der eine Geschlechtsumwandlung vornehmen lässt.

Den Bogen in die Gegenwart schlägt die Ausstellung mit Yalters Posterarbeit „Exile Is a Hard Job/Walls“. Die aus einem türkischen Gedicht stammende Zeile „Exil ist harte Arbeit“ prangt in roten, handgeschriebenen Lettern auf der schwarz-weißen Foto-Collage. Das Plakat soll in verschiedenen Kölner Stadtvierteln aufgehängt und von dort lebenden Migranten in ihren Sprachen beschriftet werden.

Bis 2. Juni. Di bis So: 10 bis 18 Uhr. 1. Donnerstag im Monat bis 22 Uhr.

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