„Das ist ein Geschenk des Lebens“

Sind Sie manchmal überrascht, dass Sie als unabhängiger Produzent so lange überlebt haben?

 Peter Rommel, der das Ophüls-Festival bestens kennt. Foto: MOP

Peter Rommel, der das Ophüls-Festival bestens kennt. Foto: MOP

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Sind Sie manchmal überrascht, dass Sie als unabhängiger Produzent so lange überlebt haben?

Rommel: Ja, ständig. Das ist meine eigentliche Leistung. Nicht die Filme selbst, sondern 25 Jahre Überleben mit freien Spielfilmen und Dokumentationen, ohne Fernsehproduktionen.

Ist es über die Jahre schwieriger geworden, Filmprojekte auf den Weg zu bringen?

Rommel: Die Möglichkeiten, Filme herzustellen, sind, auch durch die Digitalisierung, größer geworden. Gleichzeitig haben Aufmerksamkeit und Bedeutsamkeit über die Jahre mehr und mehr nachgelassen.

Liegt das an einem Überangebot von Filmen?

Rommel: Das hat verschiedene Ursachen. Einmal die Verbreiterung des Freizeitangebotes allgemein, und dann hat sich auch in der Studentenschaft etwas getan: Die geht gar nicht mehr so gern ins Kino, sondern schaut lieber TV-Serien. Und die ganz Jungen bedienen sich übers Internet und haben so gut wie keinen Bezug mehr zum Kino. Als ich blutjung war, war das Kino ja eine Art Sozialisationsstation, mit "Godzilla" und den "Winnetou"-Filmen. Und in den 70ern und frühen 80ern war es ein lebensinspirierender Zufluchtsort aller Schichten. Das ist es heute nicht mehr. Heute ist es eher ein Zerstreuungsort für die Masse.

Wie muss das Kino darauf reagieren, um gegenzusteuern?

Rommel: Es hätte schon längst reagieren müssen. Man hätte viel früher, wie das in Frankreich ja schon immer geschieht, den kulturellen Wert des Kinos stärker betonen müssen - etwa in der schulischen Bildung. In Frankreich nimmt man das Kino genauso ernst wie die klassische Musik, Kunst, Literatur, Theater und Oper. In Deutschland galt das Kino immer als Unterhaltungs- und Ablenkungsort. Wir haben das Kino nicht so fundamental in unsere Kultur integriert, wie es hätte sein sollen.

Woran ist das gescheitert?

Rommel: Das Kino bei uns wurde nach dem Krieg maßgeblich von den Amerikanern bestimmt, deswegen sind auch heute 90 Prozent der Leinwände vom US-Kino besetzt. Die zehn Prozent Rest, das europäische und das deutsche Kino, haben es natürlich dann schwer, kommerziell erfolgreich und in der Breite gut aufgestellt zu sein. Wenn TTIP gekommen wäre oder noch kommt, dann würden die amerikanischen Medientransportunternehmen wie etwa Amazon, Netflix, Apple und vielleicht auch noch die Studios in Hollywood alle Leinwände und Vertriebswege vollends übernehmen und alle Formate der Medienverbreitung konkurrenzlos abdecken. Denn dann würden diese Unternehmen schlicht gegen Wettbewerbsverzerrung in Europa klagen, also gegen unsere staatlich subventionierte Förderung von Medien bis hin zum ollen Kinofilm. Es geht um den freien Zugang zum Markt und letztlich um Wettbewerbsverdrängung.

Tut die deutsche Filmförderung da zu wenig für das heimische Kino?

Rommel: Sie tut eigentlich genug, wenngleich die Werkzeuge nicht mehr richtig greifen. 50 Prozent der Filme, die bei uns laufen, müssten aus Europa kommen, die Hälfte davon vielleicht auch aus Deutschland, aber als Kinofilm definiert und nicht als aufgeblasenes Fernsehspiel, als Zwitter - so wie die Franzosen das für ihr Kino mal festgeschrieben haben. Diesen Schritt hat Deutschland leider nicht gemacht, wohl unter dem Eindruck des gut ausgestatteten und bislang funktionierenden öffentlich-rechtlichen Fernsehens. Aber auch in einer Art endlosem Dankbarkeit für die große deutsch-amerikanische Freundschaft. Sprich für die Schokolade und die Kaugummis, die nach dem Krieg abgeworfen wurden. Standortpolitik eben.

Muss ein deutscher Film wie "Vier gegen die Bank", besetzt mit den größten deutschen Stars, verliehen vom Hollywood-Major Warner Brothers, 600 000 Euro deutsche Filmförderung bekommen?

Rommel: Ich finde das in der Tat eher unangebracht und fast gar geschmacklos, denn ich glaube schon, dass gerade die Majors doch mächtig genug sind, rein kommerziell orientierte Filme aus eigener Kraft herzustellen und auf die große Leinwand zu bringen. Aber die Politik fordert natürlich Beweise erfolgreicher Förderpolitik. Und wo sieht man die? In den Medien, wo große Filme, die den Markt beherrschen, auch wahrgenommen werden. Die Förderer betreiben da manchmal eine fadenscheinige Mitfahrpolitik bei Projekten, die es nicht nötig haben. Bei einem kommerziellen Erfolg möchte man unbedingt dabei sein. Lieber da als bei einem kleinen Film, der vielleicht auf den Festivals in Cannes oder in Venedig zwar Aufsehen erregt, aber am Markt naturgemäß kein großes Publikum findet, weil die Programmschienen im Kino dicht sind und das Publikum über die Sehgewohnheiten des Fernsehens schon völlig entwöhnt worden ist.

Sie haben auch als Dozent gearbeitet - wie hat sich der Filmnachwuchs über die Jahre verändert?

Rommel: Ich habe ja in den 70er Jahren angefangen in einer Zeit, in der es bei aller Konkurrenz viel Austausch gab. Mitte der 80er Jahre hat sich eine Art Ego-Kultur herausgearbeitet, die sicher auch mit der sogenannten Kohl-Ära zu tun hat. Und die hat sich sukzessive in die Filmhochschulen eingeschlichen. Im Moment ist es ein ziemlich verbissener Kampf um die Plätze, die es da zu erobern gilt: einen Sender und die Förderer. Es ist bald wie bei einer Olympiade - und alle dopen sich, um mitzuhalten zu können. Ich hatte das Glück, ohne diesen auferlegten Erfolgsdruck früh Partner und Freunde zu finden, mit denen ich seit langem intensiv zusammenarbeite.

Vor allem Andreas Dresen?

Rommel: Ja, das ist ein Geschenk des Lebens. Ich hatte ihn über seine Studentenfilme kennen gelernt, da hatte ich noch gar keine Produktionsgesellschaft. Später fragte ich ihn, ob wir nicht mal einen Film zusammen herstellen wollen - das war dann "Nachtgestalten". Dass diese Verbindung aus Ost und West auf inhaltlicher wie persönlicher, zutiefst menschlicher Ebene über all die Jahre gehalten hat, ist in dieser schrägen Branche wohl einmalig.

Sie waren oft beim Saarbrücker Ophüls-Festival - hat es sich für Sie über die Jahre verändert?

Rommel: Was immer gleich geblieben ist, ist das große Herz des Festivals - von den Machern wie von den Saarbrückern. Und eines hat sich auch nie verändert - das Lokal "Woll" in Spicheren. Da sind wir immer mit größter Leidenschaft hin und "wollig" betrunken wieder zurück ins Kino gebraust - das war schon geil.

Zum Thema:

Hintergrund Peter Rommel (61), vor allem bekannt für seine Filme mit Andreas Dresen ("Sommer vorm Balkon"), brachte viele originelle Debüts auf den Weg (etwa "Storno" von Elke Weber-Moore oder "Sehnsucht" von Valeska Griesebach). Er stellt bei uns drei Filme vor: "Sie haben Knut" (Dienstag, 17 Uhr, Filmhaus), "Lost Killers" (Dienstag, 21 Uhr, Kino Achteinhalb) und "Halbe Treppe" (Mittwoch, 16.30 Uhr, Cinestar 8). red

Zum Thema:

Termine Eröffnung heute 19.30 Uhr im Cinestar mit Ehrenpreis-Verleihung an Peter Rommel und Eröffnungsfilm (siehe Text unten). Lolas Bistro ab morgen bis Freitag ab 21 Uhr im Ex-C&A-Gebäude (Viktoriastraße), SR-Mitternachtstalks ab 23 Uhr. Preisverleihung: Samstag ab 19.30 Uhr im E-Werk auf den Saarterrassen, danach Filmparty. red Infos unter: www.max-ophuels-preis.de

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