Kulturstätte Kettenfabrik Jazz-Standards im frischen Gewand

Saarbrücken/St. Arnual · Das erste Konzert der Kettenfabrik nach langer Coronapause begeisterte die Zuschauer vor grüner Kulisse.

 Uli Brodersen (Gitarre), Andrea Reichhart (Gesang) und Jochen Lauer (Bass) spielten ein starkes Konzert im Garten der Kettenfabrik.

Uli Brodersen (Gitarre), Andrea Reichhart (Gesang) und Jochen Lauer (Bass) spielten ein starkes Konzert im Garten der Kettenfabrik.

Foto: Sebastian Dingler

Auch die St. Arnualer Kulturstätte Kettenfabrik hat am Samstag nach langer Coronapause den Betrieb wieder aufgenommen. Wie Organisator Klaus Kühn erklärte, waren die Auflagen des Ordnungsamts schwer in die Tat umzusetzen. Jetzt konnte man aber noch mal ein Livekonzert wagen. Die Hygienevorschriften wurden sehr ernst genommen: Sobald man sich vom Platz erhob, herrschte strenge Maskenpflicht. Kühn hielt in seiner Ansprache sogar ein extra dafür angefertigtes Schild hoch, auf dem an Maskenpflicht und Abstand erinnert wurde. Er sagte auch, dass ihm das Herz aufgehe, nun endlich wieder Livemusik in der Kettenfabrik erleben zu dürfen. Auf 70 Plätze war der Garten im Hof beschränkt.

Freude gab es natürlich auch über das tolle Spätsommerwetter, welches das Konzert im Freien ermöglichte. Am Vorverkauf habe man gemerkt, dass es einen „Bedarf nach Musik“ gebe. Die „Bedürftigen“ bekamen dann gleich mal eine Portion Livemusik der Extraklasse präsentiert: Kontrabassist Jochen Lauer, selbst Anwohner der Kettenfabrik, spielt schon seit Längerem häufiger mit Gitarrist Uli Brodersen zusammen. Sängerin Andrea Reichhart stieß erst im letzten Jahr zu dem Duo. Trotzdem wirkten die drei Profis eingespielt wie alte Musikerkollegen.

Das Programm hatte Lauer zusammengestellt, der gleichzeitig auch für die Arrangements verantwortlich war. Meist wurde ein altbekannter – und vielleicht etwas ausgelutschter – Jazz-Standard mal ganz anders präsentiert. So etwa kam „The Girl from Ipanema“ erstens als Boy und zweitens völlig ohne Bossa-Nova-Rhythmik daher.

Das lag nicht etwa daran, dass die Percussion fehlte – im Gegenteil. Lauer klopfte während des Bassspielens noch so manchen Beat auf den Korpus. Nein, das Prinzip war, den Standards das Altbekannte und Erwartete wegzunehmen und dem Hörer so eine neue Erfahrung zu bieten.

Genauso machte es das Trio bei „Autumn Leaves“ oder „Moon River“. Lauer schöpfte dabei die klanglichen Möglichkeiten seines Instrumentes voll aus – neben dem Klopfen auf dem Bass strich er diesen auch mit dem Bogen oder schlug mit dem Holz des Bogens auf die Saiten, was an exotische Instrumente erinnerte. Ganz anders Broder, der seinem Jazzgitarrenklang treu blieb und dafür mit seiner immensen Präzision beeindruckte. Andrea Reichhart wiederum begeisterte mit der scheinbar mühelosen Bewältigung schwieriger Tonsprünge oder dem wackelfreien Halten leiser, langer Töne. Ebenso perfekt wie die Darbietungen der Musik kam der transparente Gesamtklang daher. Wer die Augen schloss, hätte auch geglaubt, dass ihm gerade eine CD vorgespielt werde. Man ertappte sich auch bei dem Gedanken, was doch so ein Schlagzeug alles an Nuancen abdeckt. In vollkommener Nacktheit drangen da die Klänge ans Ohr. Der innere Takt lief bei Brodersen und Lauer offenbar synchron. Da kam keiner je aus der Spur, selbst wenn der andere bei seinem Solo mal einen Ausbruch wagte.

„Wozu Schlagzeug?“ fragte man sich bisweilen. An diesem Abend jedenfalls fehlte es nicht. Die Zuhörer, deren Bedarf an Livemusik offenbar gedeckt wurde, geizten nicht mit Applaus. In der Kettefabrik wird jetzt das alljährliche Jazz-Festival (1. bis 3. Oktober) unter den aktuellen Hygienebestimmungen geplant: Dann wieder mit einem Dach über dem Kopf und mit stark eingeschränkter Zuschauerzahl.

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