Neue CD Das große Schmachten aus dem Elsass

Saarbrücken · Claudio Capéo ist in Frankreich zurzeit einer der größeren Musikstars – jetzt will er das auch hierzulande werden.

 Sänger und Akkordeonist Claudio Capéo.

Sänger und Akkordeonist Claudio Capéo.

Foto: Yann Orhan

Elsass und Lothringen haben gerade einen guten Lauf, was Kultur angeht:  Vor zwei Wochen hat der Lothringer Nicolas Mathieu aus Epinal den wichtigsten Literaturpreis Frankreichs gewonnen, den Prix Goncourt (wir berichteten) – für das Buch „Leurs enfants après eux“ über eine Jugend in Lothringen. Und der Musiker Claudio Capéo aus dem Elsass (geboren in Cernay),  ist gerade einer der größeren Stars bei den französischen Nachbarn: Sein jüngstes, selbstbetiteltes Album hielt sich 2016 lange fünf Wochen auf Platz 1 der Album-Charts. Nun nimmt der Sänger und Akkordeonist den deutschsprachigen Raum in den Blick: Zwei Singles aus dem französischen Original-Album sind hier nun als deutsch-französische Duette mit dem hiesigen Sangeskollegen Ben Zucker grenzüberschreitend aufbereitet (aber auch als Capéo-Solo-Originale enthalten).

Auf der CD-Hülle schaut Capéo, das Akkordeon auf den Rücken geschnallt,  sinnend in die Weite  – mit festem Blick auf, so klingt es, massenwirksamen Schlager-Chanson mit Schunkelmomenten. Dieses Album versucht einem nicht selten die Rhythmen und Refrains derart brutal einzubläuen, dass man in Deckung gehen will, als flögen wochenalte Baguettes durch die Luft.

Der Auftakt „Un homme debout“ ist ein liebeskrank sehnsuchtsvolles Duett mit Kollege Zucker; beide Mannsbilder flehen die Angebetete an, ihnen nicht die Tür (wohl die des Schlafzimmers) vor der Nase zuzuschlagen: „Sag, dass Du es willst und ich bleibe“ singt Zucker raunend, „wenn Du mich ansiehst, dann denk daran / Was ich bin, ist nicht viel, doch ein aufrechter Mann“. Die Sehnsucht schraubt sich hoch in einen Schunkel- und Mitklatschrefrain. So klingt wohl Pop-Chanson-Schlager, der in Arenen funktionieren soll (und es in Frankreich auch tut).

Capéo besingt den altbewährten Topos, dass man sich selbst treu bleiben und sich nicht verbiegen lassen soll („Fidèle à moi-même“), geht vor der Heimat in die Knie („Belle France“) und singt eine 52 Jahre alte Nummer von Michel Delpech: „Chez Laurette“. Bei dem ist das eine zarte, eigentlich unauffällige Ballade. Capéo dagegen wirft sich ganz hinein in die Nummer und lässt es kräftig schluchzen. Je nach Geschmack mag man das nun emotional finden oder aufdringlich; die stärksten Momente hat das Album jedenfalls dann, wenn Capéo und sein Komponistenteam (er selbst schrieb nur zwei der 13 Nummern) sich mal entspannen und bei der Arbeit nicht über Mitklatsch- oder Feuerzeug/Handyschwenk-Potenzial  nachdenken. Es muss ja nicht jeder Moment auf den maximalen emotionalen Effekt hin ausgereizt werden.

Claudio Capéo (Airforce 1 / Universal).

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