Chilenischer Terror mit deutscher Hilfe

Regisseur Florian Gallenberger („John Rabe“) erzählt in seinem Polit-Thriller „Colonia Dignidad“ die reale Geschichte des berüchtigten Lagers in Chile des Sektenführers Paul Schäfer: Dort wurden zu Zeiten des Militärputsches verschleppte Regimegegner gefoltert. Daniel Brühl und Emma Watson spielen ein Paar, das aus der Sekte zu fliehen versucht. SZ-Mitarbeiter Dieter Oßwald hat mit Florian Gallenberger gesprochen.

 Die Stewardess Lena (Emma Watson) beschließt, der mysteriösen Colonia Dignidad beizutreten, um dort ihren verschleppten Freund wiederzufinden. Foto: Majestic / Ricardo Vaz Palma

Die Stewardess Lena (Emma Watson) beschließt, der mysteriösen Colonia Dignidad beizutreten, um dort ihren verschleppten Freund wiederzufinden. Foto: Majestic / Ricardo Vaz Palma

Foto: Majestic / Ricardo Vaz Palma

Die deutsche Botschaft in Chile spielt keine rühmliche Rolle in dieser Geschichte um Folter und Menschenraub.

Gallenberger: Die deutsche Botschaft hat bis 1985 eng mit der Colonia Dignidad zusammengearbeitet. Den Wenigen, denen die Flucht aus diesem Lager gelungen war, mussten zur Botschaft, weil sie keine Pässe besaßen - und von dort wurden sie wieder zurückgeschickt. In diplomatischen Kreisen ist die Colonia Dignidad immer noch ein heißes Eisen, das keiner anfassen möchte. Die damalige Rolle des Auswärtigen Amtes muss dringend untersucht werden.

Soll Ihr Film erreichen, dass dieses Kapitel neu aufgerollt wird?

Gallenberger: Mir ist wichtig, dass "Colonia Dignidad" als Thriller ein möglichst breites Publikum erreicht. Wenn das gelingt, wird der Film vielleicht dazu führen, dass diese Vorfälle von damals nicht weiter verdrängt werden.

Einige der Täter leben mittlerweile in Deutschland.

Gallenberger: Der Arzt, der für viele Verbrechen in der Colonia verantwortlich war, wurde in Chile rechtskräftig verurteilt und hat sich durch die Flucht nach Deutschland seiner Strafe entzogen. Er lebt jetzt in Krefeld, ohne dass sich die hiesige Justiz dafür interessiert.

Wie authentisch ist Ihr Film?

Gallenberger: Die beiden Hauptfiguren sind fiktiv, ihr ganzes Umfeld basiert auf der Wirklichkeit. Von den Selektionsprozessen des Militärs im Stadion von Santiago bis zu den Todeserweckungen des Paul Schäfer in seiner Gemeinschaft. Selbst seine Sprüche dabei sind überliefert und nun als Dialoge im Film zu hören. Unser Film will dennoch weniger erklären und analysieren, sondern den Zuschauern ein emotionales Erlebnis verschaffen, das hoffentlich stark ist. Und wenn sie der historische Kontext interessiert, werden sie anschließend darüber nachlesen.

Wie schwierig ist es, Dinge, die in der Colonia passiert sind, für einen Kinofilm nachzuinszenieren?

Gallenberger: Ich war zur Vorbereitung oft an den Originalschauplätzen des täglichen Grauens, wo man schon das beklommene Gefühl bekommt, als ob die Geister noch spuken würden. Wenn man Szenen später nachstellt, ist diese Erinnerung immer mit dabei.

Warum werden überhaupt so wenige Thriller hierzulande gedreht?

Gallenberger: Vor allem hat es wohl damit zu tun, dass der Krimi im Fernsehen so stark ist. Der "Tatort" hat regelmäßig zehn Millionen Zuschauer, da denken viele, für solche Stoffe müsse man nicht ins Kino gehen. Aber es gab und gibt immer wieder starke deutsche Thriller.

Der Film läuft ab heute im Cinestar (Sb) und im Movie World (Sls). Eine Kritik zum Film und den anderen Neustarts der Woche finden Sie in unserer Beilage treff.region.

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