Proteste wegen Regiepreis für Roman Polanski Eine César-Verleihung im Banne von #Metoo

Paris · Bei der Vergabe des Filmpreises in Paris protestieren Frauen gegen die zwölffache Nominierung Roman Polanskis, der den Preis für die beste Regie bekommt.

Der Skandal war programmiert. Kurz nach Mitternacht fiel im Salle Pleyel der Name Roman Polanski. Der Filmemacher erhielt den César für seine Regie bei dem Film „J’accuse“ (Intrige) über die Dreyfus-Affäre. Zurückhaltender Applaus kam auf, doch die ganze Aufmerksamkeit im Raum hatte in diesem Augenblick Adèle Haenel. Die Schauspielerin rannte wild gestikulierend durch die Sitzreihen in Richtung Ausgang. „Das ist eine Schande! Das ist eine Schande“, rief sie, ihr folgte die französische Drehbuchautorin und Regisseurin Céline Sciamma.

Im Vorfeld der Verleihung in Paris hatte es große Aufregung um die Vergewaltigungsvorwürfe gegen den 86-jährigen Polanski gegeben, dessen Film für insgesamt zwölf Césars nominiert worden war. Viele Filmschaffende meldeten sich zu Wort und Frauenverbände hatten vergeblich die Absetzung des Films gefordert. Auch der französische Kulturminister Riester hatte am Freitag eindeutig Position bezogen und deutlich gemacht, ein Preis für Polanski wäre „ein schlechtes Symbol“ im „Kampf gegen sexuelle und sexistische Gewalt“.

Die Schauspielerin Adèle Haenel ist in Frankreich zu einer Symbolfigur für die #Metoo-Debatte geworden. Die 31-Jährige wirft ihren Landsleuten vor, die Debatte verschlafen zu haben. Sie selbst hatte jüngst in einem Interview Anklage gegen den Regisseur Christophe Ruggia erhoben. Sie beschuldigt ihn, sie als Minderjährige beim Dreh zu ihrem ersten Film „Les Diables“ (Kleine Teufel) wiederholt sexuell belästigt zu haben.

Roman Polanski selbst sieht sich als Opfer einer „Lynchjustiz“ von Feministinnen. Vor dem Kinostart von „Intrige“ hatte ihm ein früheres Model vorgeworfen, sie 1975 vergewaltigt zu haben. Der Filmemacher bestreitet dies, ebenso wie ähnliche Vorwürfe von fünf weiteren Frauen, darunter die frühere deutsche Schauspielerin Renate Langer. In den USA wird Polanski weiter wegen Missbrauchs einer Minderjährigen in den 70er Jahren gesucht, den er auch eingeräumt hat. Schon bei der Premiere des Filmes in Paris im November kam es zu wütenden Protesten. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte Polanski angekündigt, nicht nach Paris zur Verleihung zu kommen.

Während der Gala gab es vor dem Salle Pleyel unweit des Pariser Triumphbogens Proteste. Mehrere Hundert Demonstrantinnen versuchten, zum Veranstaltungsort zu gelangen, wurden von der Polizei aber zurückgedrängt. Immer wieder skandierten sie, dass der rote Teppich nicht dem „Vergewaltiger Polanski“ gebühre, sondern seinen Opfern. Eine Frau erklärte, dass die César-Akademie mit den zwölf Nominierungen dem umstrittenen Filmemacher die größte Ehre erwiesen hätte. Das sei ein nicht hinnehmbarer Skandal.

Der Protest gegen Polanski ist allerdings nicht ohne Wirkung geblieben. Kurz vor der Verleihung des begehrten Filmpreises in Paris hatte die Führung der Akademie geschlossen ihren Rücktritt erklärt – „um diejenigen zu ehren, die 2019 Filme gemacht haben, um die Gelassenheit zurückzugewinnen und damit das Fest des Films ein Fest bleibt“. Diese Chance aber hat die Akademie mit der umstrittenen Nominierung verpasst. Was im Trubel unterging: Das Sozialdrama „Die Wütenden“ hat den französischen Filmpreis César als bester Film gewonnen. Die Produktion von Regisseur Ladj Ly beschreibt den Alltag aus Gewalt und Rassismus in einem Pariser Vorort.

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