Städtische Galerie Neunkirchen Was Kunst von Kunsthandwerk trennt

Neunkirchen · Neunkirchens Städtische Galerie zeigt in einer sehenswerten Ausstellung die Keramik-Sammlung Hannelore Seifferts.

  Ein dreiteiliges Porzellanstillleben, bestehend aus Beate Kuhns „Neue Musik“ (30 x 50 x 16 cm, hinten), einer Frauenfigur von Gundi Dietz (16 x 26 x 11 cm, links) und Esther Shimazus „Sumo-Ringer“ (20 x 19 x 18 cm, rechts im Bild)

Ein dreiteiliges Porzellanstillleben, bestehend aus Beate Kuhns „Neue Musik“ (30 x 50 x 16 cm, hinten), einer Frauenfigur von Gundi Dietz (16 x 26 x 11 cm, links) und Esther Shimazus „Sumo-Ringer“ (20 x 19 x 18 cm, rechts im Bild)

Foto: Tom Gundelwein/Städtische Galerie Neunkirchen/Tom Gundelwein

Es ist eine erstaunliche Geschichte. In den 1990er-Jahren entdeckte Hannelore Seiffert aus Schiffweiler die Keramik für sich. Sie war als Künstlerin so fasziniert, dass sie Kurse besuchte und mit dem Sammeln begann. In zweieinhalb Jahrzehnten hat sie 1200 Objekte von 400 Künstlern aus 35 Ländern zusammengetragen und eine der bedeutendsten Sammlungen für zeitgenössische Keramikkunst aufgebaut.

Der Leiterin der Städtischen Galerie Neunkirchen, Nicole Nix-Hauck, ist es zu verdanken, dass der Schatz von Seiffert nun der Öffentlichkeit im Saarland zugänglich gemacht wird und eine Auswahl von etwa 100 Werken in der Ausstellung „Brennpunkt Keramik“ zu sehen ist.

Schlendert man durch die Schau, fällt sofort der vielfältige Umgang mit dem Material auf. Bei vielen Stücken ist selbst für den Kunstkenner kaum auszumachen, welchen Entstehungsprozess das Werk durchlaufen hat. Einige der Künstler haben eigene Verfahren und Materialien entwickelt. So hat Rafa Perez einen Blähton gefunden, der im Brennprozess nicht schrumpft, sondern sich ausdehnt. Seine „Keramik-Spirale“ aus fein geschichtetem Ton wirkt wie ein explodiertes Blätterteigteilchen. Allein über das Material erreicht der Spanier eine ganz eigene Ästhetik.

Grandios ist auch die „Schneewolke“ von Paula Bastiaansen. Die Künstlerin hat zwei Jahre gebraucht, um ein Verfahren zu entwickeln, das solche zarten Plastiken ermöglicht. Auch Heide Nonnenmachers „Orto Botanico“ I und II aus Porzellanpapier gewinnt seinen Reiz aus dem besonderen Material.

Sehr häufig ist der besondere Umgang mit der Glasur, die ihrer Schutzfunktion enthoben und zum künstlerischen Material wird. Viele Künstler malen mit der Glasur auf der Oberfläche der Objekte, andere machen sich deren besondere Eigenschaften zunutze. Die Oberfläche des vasenförmigen Hohlkörpers von Gustavo Perez ist mit zarten Einschnitten in der hellen Glasur verziert. An Wölbungen platzen die Schnitte auf und geben den Blick auf das schwarze Steinzeug darunter frei.

Neben zahlreichen abstrakten oder abstrahierten Formen ist auch allerlei Figuratives zu sehen, wie etwa die zoomorphen Objekte von Ursula Commandeur oder Arnold Annen, bei denen man unsicher ist, ob das noch von Menschenhand geschaffen wurde oder die Natur hier am Werk war. Eine gewichtige Rolle spielt natürlich die menschliche Figur. Die chimärenhafte Figur des „Midas“ von Claire Curneen mit den vergoldeten Fingern erinnert an den Mythos des phrygischen Königs, der alles zu Gold werden ließ, was er berührte. Der im letzten Jahr verstorbene Japaner Akio Takamori, der zu den großen Keramikkünstlern unserer Zeit gehört, ist mit einer Frauenfigur vertreten. Und am Eingang grüßt Ute Naue-Müllers „Don Quiotte“ mit Haar aus geflochtenem Draht.

Die Ausstellung ist mit ihrer Vielfalt an Formen und Oberflächen außerordentlich und lebt von der Qualität der Exponate. Kaum ein Stück, dass den Betrachter nicht in Staunen und Entzücken versetzt. Perfekt inszeniert entstehen Korrespondenzen, aber auch Gegensätze werden offensichtlich. Dass Galerieleiterin Nix-Hauck und Hannelore Seiffert trotz der fragilen Ausstellungsstücke auf Vitrinen verzichtet haben, ist nicht hoch genug zu loben, weil so keine Reflexionen stören und ein genaues Betrachten erst möglich wird.

 Paula Bastiaansens äußerst filigrane Porzellanspirale mit dem Titel „Schneewolke“ (28 x 40 x 20 cm)

Paula Bastiaansens äußerst filigrane Porzellanspirale mit dem Titel „Schneewolke“ (28 x 40 x 20 cm)

Foto: Tom Gundelwein/Städtische Galerie Neunkirchen/Tom Gundelwein
 Akio Takamoris „Woman in Kimono“ (44 x 26 x 28 cm)

Akio Takamoris „Woman in Kimono“ (44 x 26 x 28 cm)

Foto: Tom Gundelwein/Städtische Galerie Neunkirchen/Tom Gundelwein

Bis 27. Januar. Mi bis Fr: 10-18 Uhr;
Sa: 10-17 Uhr; So: 14-18 Uhr.

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