Bloß kein Betroffenheitsmuster

Was Arman T. Riahi über sich sagt, beschreibt ziemlich gut, wie sich wohl viele Ausländer fühlen, die hier aufgewachsen sind - ob in Deutschland oder Österreich, wie Riahi. Es gebe, wenn es um Migranten gehe, "immer nur ein Opfer- oder Täter-Bild". Dabei sei er - 1981 in Isfahan/Iran geboren und wenig später mit seinen Eltern im offenherzigen Österreich unter Kanzler Bruno Kreisky gelandet - ein ganz normaler Österreicher. Genauso wie seine dort aufgewachsenen Freunde Faris Rahoma und Aleksandar Petrovic, Hauptdarsteller von Riahis gekonnter, bitter-böser Migranten-Komödie "Die Migrantigen".

 Filmemacher Arman T. Riahi (35) aus Wien.

Filmemacher Arman T. Riahi (35) aus Wien.

"Aber auf der Straße", sagt Riahi, "meinen die Leute immer noch, dass wir Ausländer sind". Genau dieses Zwischen-den-Stühlen-sitzen der 2. Generation in Europa lebender Ausländer fängt Riahi in seinem Langfilmdebüt erfrischend provokant ein. Und macht die Klischees, die über Migranten in Umlauf sind, zu dessen Plot: Marko (Petrovic) und Benny (Rahoma), assimilierte Wiener durch und durch, geben sich, um in einer TV-Doku über ein Wiener Problemviertel groß rauszukommen, als Kleinkriminelle und Sozial-Schmarotzer aus. Eine Weile geht das gut - bis ihr Rollenbild sich gegen sie kehrt und sie geläutert werden. "Die Migrantigen" rechnet nicht nur mit Stereotypen über Migranten ab, sondern auch mit dem Typisierungswahn der Medien. Wobei der Film so vielschichtig ist, dass "Seitenhiebe auf uns Filmemacher" (Riahi) nicht fehlen.

Ursprünglich habe er mit den großartigen Film-Ghetto-Kids Petrovic und Rahoma, mit denen er auch das Drehbuch schrieb (15 Fassungen in zwei Jahren), eine zehnteilige fiktionale Serie für einen österreichischen Privatsender machen wollen, erzählt Riahi. Nach vier abgedrehten Folgen ging die Produktionsfirma pleite. "Die Rechte am Projekt verendeten in der Konkursmasse."

Am Ende wurde dann seine nun im Ophüls-Wettbewerb stehende Komödie daraus. Wenn man weiß, dass Rahoma und Petrovic als Schauspieler tatsächlich bislang nur Ausländer- und Gangster-Rollen angeboten bekamen, wird klar, was Riahi meint, wenn er sagt, er verstehe seinen Film als "Anti-Integrationskomödie": Wünschenswert sei "die Inklusion und nicht die Integration der Ausländer im Sinne ihrer bloßen Einreihung", sagt er mit viel Wiener Idiom in der Stimme. Den humanistischen Hintergrund dazu, der Riahi am Herzen liegt, liefert sein Film denn auch gleich mit.

1,5 Millionen Euro hat er gekostet, im Mai oder Juni soll "Die Migrantigen" in die österreichischen Kinos kommen. Nicht nur das Testscreening verlief verheißungsvoll, auch die Uraufführung am Donnerstagabend. Arman Riahi, der bislang nur Dokus gemacht hat und damit zuletzt halbwegs über die Runden kam ("ich muss mich nicht als Werbefilmer durchschlagen"), plant als nächstes ein Drama um einen Gefängnislehrer. Er hat aber auch schon eine Gangsterkomödie im Kopf, was kein Wunder ist.

Samstag, 12.45 Uhr: CS 5; Sonntag, 20 Uhr: CS 2.

Viele Kinogänger mögen Filme mit eindeutigen Figuren, durchweg sympathisch, perfekt zum Mitfiebern. "Das ist mir bekannt", sagt Regisseur Michael Koch, "aber so einen Film wollte ich nicht machen". Sein Langfilmdebüt "Marija" (siehe auch unsere Mittwochausgabe) erzählt von einer Ukrainerin (gespielt von Margarita Breitkreiz), die in Dortmunds ehemaligem Arbeiterviertel Nordstadt über die Runden zu kommen versucht. Ihr Ziel ist ein eigener Frisiersalon. Doch wie soll sie dahin kommen, wenn sie den lausig bezahlten Putzjob im Hotel verliert, weil sie beim Stehlen auffliegt?

"Marija" hat seine Stärke auch darin, dass er vieles nicht ist, was man beim Thema hätte befürchten können: Der Film ist kein Betroffenheits-Sozialdrama und will kein Gesellschaftsbild zeichnen, sondern ein einzelnes Porträt. "Das einer Frau, die kämpft, nicht das Opfer sein will, kein Mitleid will", sagt Koch. Gleichzeitig ist sie eine Getriebene mit einem radikalen Tunnelblick auf ihre Ziele - eine Ambivalenz, die für Koch die notwendige Basis seines Films ist. Die ausschlaggebende Idee gab dem Baseler Regisseur und Autor, der an der Kunsthochschule für Medien in Köln studiert hat, die Bekanntschaft mit einer Ukrainerin, die nach Dortmund ging; Koch recherchierte in der Nordstadt, wo Menschen aus knapp 130 Nationen leben, aber kaum noch Deutsche. "Einfach war das nicht. Die Leute da sind misstrauisch, weil die Medien meist nur die klischierten Bilder von überquellenden Mülltonnen zeigen.

" Als Koch das Vertrauen der Menschen gewann, "die dort das Sagen haben", öffneten sich viele Türen - und blieben geöffnet: Wenn der Film demnächst in der Nordstadt Premiere hat, ist Koch bei der lokalen Clan-Chefin der Roma eingeladen. "Im Hotel zu übernachten, wäre eine Beleidigung." Die Episoden und Figuren des Films sind "alle dort gefunden", sagt Koch, einen dokumentarischen Film wollte er dennoch nicht drehen. "Wir haben die Szenen choreografiert, das Ganze ist Fiktion. Wir wackeln auch nicht mit der Kamera, um irgendeinen Doku-Touch oder eine Pseudo-Authentizität herzustellen - so etwas nervt mich total." 1,5 Millionen Euro hat "Marija" gekostet, erzählt Koch, "sehr viel für ein Debüt. Ich hoffe, dass man das dem Film nicht ansieht - äußerlich." Denn das Geld floss vor allem in eine intensive Probenzeit. Vor Ort wurde dann rasch und mit kleinem Team gedreht.

"Marija" erlebt eine internationale Festival-Karriere, lief etwa in Südkorea (wenn auch ohne Koch) und in Toronto ("Da ist man als deutscher Film aber nur ein kleiner Fisch"). Ein Weltvertrieb kümmert sich um die Auslandsverkäufe, ein Kinostart in Frankreich ist wahrscheinlich. Bei uns läuft er ab März im Kino, "wo er es nicht leicht haben wird, der Arthouse-Markt ist sehr umkämpft". Für Koch geht es nach allein drei Festivals in dieser Woche nun nach Berlin, "zurück ins reale Leben", wie er sagt: Seine Tochter hat die Windpocken.

 Filmemacher Michel Koch (34) aus Basel. Fotos: MOP

Filmemacher Michel Koch (34) aus Basel. Fotos: MOP

Samstag, 22.15 Uhr: CS 5; Sonntag, 14 Uhr: CS 3.

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