NS-Raubkunst Bekenntnis zur Suche nach Raubkunst

Berlin · Berliner Konferenz 20 Jahre nach Verabschiedung der Washingtoner Erklärung fordert mehr Engagement.

(dpa) Es war eine historische Zäsur, als 1998 die „Washingtoner Erklärung“ verabschiedet wurde. Erstmals seit Kriegsende verpflichteten sich zahlreiche Staaten, die Verbrechen des NS-Kunstraubs aufzuklären und „faire und gerechte Lösungen“ für die Opfer zu finden. 20 Jahre später haben Deutschland und die USA das Bekenntnis am Montag in einer gemeinsamen Erklärung bekräftigt und mehr Nachdruck zugesagt. „Die Aufarbeitung des nationalsozialistischen Kunstraubes ist eine bleibende Verpflichtung – besonders für Deutschland“, sagte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU). „Auch 20 Jahre später werden wir nicht nachlassen, dieser Verantwortung gerecht zu werden.“

 Deutschland steht als Land der Täter in der Pflicht. Die USA, mit Außenministerin Madeleine Albright einst Initiator der Washingtoner Prinzipien, ist wegen der vielen Nachfahren einstiger deutscher Emigranten besonders engagiert. Aber auch viele andere Länder sind betroffen. Denn die geschätzt rund 600 000 Kunstwerke, die die Nazis jüdischen Kunstsammlern und -händlern einst raubten, entzogen oder abpressten, finden sich heute – oft unerkannt – in Museen in aller Welt. Mit den Unterschriften am Rande einer internationalen Konferenz in Berlin setzt Deutschland bewusst ein Signal gegen Befürchtungen jüdischer Opferverbände, die aktuelle Debatte um geraubte Kunst aus der Kolonialzeit könne die Verantwortung Deutschlands gegenüber den Opfern des NS-Regimes in den Hintergrund drängen. Grütters versicherte, auch wenn das Deutsche Zentrum Kulturgutverluste in Magdeburg sich künftig zusätzlich um das koloniale Erbe kümmere, bleibe die Aufklärung des NS-Kunstraubs „unveränderter Schwerpunkt und Kernaufgabe“ des Forschungszentrums.

Wie hoch die Erwartungen von jüdischer Seite an Deutschland nach wie vor sind, machte vor den rund 1000 Experten aus aller Welt vor allem Ronald Lauder deutlich, der Präsident des World Jewish Congress. „Erst etwa zehn Prozent der Museen und Institutionen haben mit der Suche begonnen, und schon jetzt gab es Tausende von Rückgaben“, sagte Lauder. „Aber es sollten nicht zehn, es sollten hundert Prozent sein.“ Anders ließen sich die „Geister des Zweiten Weltkriegs“ nicht bannen. Tatsächlich hat Deutschland nach Schätzungen des Magdeburger Forschungszentrums seit Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien rund 5750 Kulturgüter an die Erben der einstigen Besitzer zurückgegeben. Fast 12 000 Bücher und anderes Bibliotheksgut kommen hinzu. Aber der Nachholbedarf ist nach wie vor riesig. Unisono appellierten Grütters und Lauder an den Kunsthandel und private Sammler. Hier dürfe man deutlich mehr Engagement erwarten, sagte die Staatsministerin.

Wie kürzlich schon angekündigt, soll künftig eine zentrale Anlaufstelle („Help Desk“) Anspruchstellern helfen, sich im Dickicht der deutschen Kulturbürokratie zu orientieren und die richtigen Ansprechpartner für ihre Anliegen zu finden. Von 2020 an ist zudem eine Datenbank geplant, die alle Erkenntnisse der sogenannten Provenienzforschung (Herkunftsforschung) weltweit zugänglich machen soll. Dadurch könnten auch Nachfahren leichter verschollenes Familienerbe aufspüren. Für die Suche nach möglichen Erben von nachgewiesener Raubkunst soll es finanzielle Unterstützung geben.

Weitere Vorschläge sollte die gestern zuende gegangene Konferenz erarbeiten, die vom Deutschen Zentrum Kulturgutverluste organisiert wird. Der Gesandte Avraham Nir-Feldklein von Israels Botschaft in Berlin gab den Teilnehmern einen Wunsch mit auf den Weg: „Reden Sie hier nicht über Raubkunst – reden Sie über geraubte Seelen, reden Sie über die Seelen unserer Großeltern!“

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