Tim Bendzko in Neunkirchen Auf der Couch mit einem Pop-Poeten

Neunkirchen · Ganz nah am Publikum: Tim Bendzko begeisterte am Dienstag in der Neunkircher Gebläsehalle.

 Tim Bendzko.

Tim Bendzko.

Foto: dpa/Uli Deck

Nein wirklich, dieser Typ ist „keine Maschine“. Das singt er ja selbst. Dafür steckt viel zu viel Gefühl, zu viel Temperament in Tim Bendzko. Am Dienstagabend machte der  Berliner Sänger, dem 2011 mit „Muss nur noch kurz die Welt retten“ der Durchbruch gelang, die Neunkircher Gasgebläsehalle zu seinem Wohnzimmer. Inmitten altmodischer Stehlampen und gemütlicher Retro-Möbel fand dieses äußerst gelungene, kurzweilige Konzert statt, bei dem der jungenhafte 32-Jährige nicht nur als Sänger und Texter, sondern auch als Unterhalter überzeugte. Zusammen mit seiner vierköpfigen gut eingespielten Band, die ihn zweieinhalb Stunden lang mit großem Enthusiasmus begleitete. Seit 2014 spielt Bendzko regelmäßig seine „Wohnzimmer-Konzerte“ in kleineren Hallen mit besonderem Charme. Die Gebläsehalle war der perfekte Rahmen für dieses intime Format, bei dem der Künstler auf Tuchfühlung mit seinem Publikum geht.

Nicht nur einmal machte sich Bendzko mit seinem Mikro in der Hand auf in die Menge. Für „Die beste Version“ nahm er Jeanette aus dem Publikum mit auf die Bühne, stellvertretend für all diejenigen, die schon viele Jahre mit der unter Qualen „optimierten Variante“ ihres Partners zusammen sind und ihn zu nehmen wissen, wie er eben ist. Es ist einer dieser Bendzko-Texte, die aus dem Munde eines Anfang 30-Jährigen ein bisschen altklug daher kommen. Doch Bendzko umschiffte mit entwaffnender Authentizität und Charme die Peinlichkeits-Klippen seines öffentlichen Bühnen-Couch-Geflüsters mit Jeanette über „ihren“ im Publikum sitzenden Wolfgang, so dass die Einlage tatsächlich sehr witzig geriet. Das Gläschen Sekt, das der Sänger seinem Gast auf der Bühne einschenkte, half der Frau aus dem Publikum ein wenig übers Lampenfieber hinweg. Der Saal war jedenfalls begeistert. Von da ab ging es mit der Stimmung nur noch weiter bergauf, denn Bendzko spielte viele tanzbare Hits (,,Programmiert“, „Ich steh nicht mehr still“) und zwei wunderbare Cover-Versionen. Bei „Was soll das?“ von Herbert Grönemeyer hielt es kaum jemanden mehr auf seinem Platz. Versetzt mit viel Ironie gab es dann noch Matthias Reims „Verdammt ich lieb dich!“ obendrauf. Wobei man wieder einmal sieht: Schlager geht immer, man muss nur hemmungslos und laut genug mitsingen.

Und so wurden Bendzko und Band nicht müde, den Saal – überwiegend weibliches Publikum – zum Mitsingen zu animieren. Eingängige Refrains finden sich in Bendzkos Liedern zur Genüge. Und das Publikum genoss das Mitmachen sichtlich, zeitweise war echte Partystimmung im großen Gebläsehallen-Wohnzimmer. Gerne hätte man da auch was Leckeres zu trinken in der Hand gehabt. Für die Musiker gab es zwischendurch einen kleinen Cocktail.

Zu den oft hyper-melancholischen, gefühlvollen (Liebes)-Liedern, für die der Sänger bekannt ist, war das Ausgelassene, Laute ein wunderbarer Kontrast. Denn Bendzko, ganz Entertainer, kann nicht nur nachdenklich sein und sein Herz – manchmal bis an die Kitschgrenze – ausschütten, sondern er hat auch viel Witz. Auch wenn sich letztlich doch alles um sein großes Thema dreht: die Liebe in all ihren erhabenen und schmerzvollen Facetten. Da wird gelitten, was das Zeug hält. Von Sehnsucht, Einsamkeit, Trennungsschmerz singt dieser junge Typ. Für das etwas reifere Publikum ist das alles ein bisschen zu dick aufgetragen, aber trotzdem: Bendzkos Liebeslieder gehen ans Herz und ins Ohr. Ein großer Liedermacher ist er damit (noch) nicht, aber ein exzellenter Sänger und Musiker sehr wohl.

Ganz zum Schluss – nach einer über zweieinhalbstündigen, mitreißenden Show – darf sich dann noch das Publikum ein Lied wünschen. Es wird die Ballade „Unter die Haut“, ebenfalls ein Riesenhit und natürlich Gänsehaut-fördernd.Tim Bendzko verabschiedet sich  schließlich so ruhig, leise und authentisch, wie er nach Neunkirchen gekommen ist: mit „Warum ich Lieder singe“ – allein auf der Bühne, nur mit seiner Gitarre, ganz zuletzt dann unplugged. Er singe, weil er sich alles von der Seele schreiben müsse, heißt es darin. Man glaubt es ihm sofort. Und das geht unter die Haut.

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