Auf, auf zum großen sprachvirtuosen Feuerwerk

Saarbrücken · Am Donnerstag erwartet literarisch Interessierte eine besondere Lesung im Saarbrücker KuBa. Hinrich Schmidt-Henkel, aus Saarbrücken stammend, in Berlin lebend und einer der renommiertesten Literaturübersetzer aus dem Französischen (und Norwegischen), stellt dann mit seinem Freund und Kollegen Frank Heibert Raymond Queneaus legendäre Stilübungen in beider Neu-Übersetzung vor. Pure Sprachartistik ist da zu erwarten.

 Hinrich Schmidt-Henkel, Literaturübersetzer. Foto: Uwe Bellhäuser

Hinrich Schmidt-Henkel, Literaturübersetzer. Foto: Uwe Bellhäuser

Foto: Uwe Bellhäuser

Werkstatt für potenzielle Literatur" nannte sich der Autorenkreis um George Perec und Raymond Queneau. Der bekannteste deutschsprachige Autor der unter der französischen Abkürzung Oulipo firmierenden Gruppe war Oskar Pastior. Ihr Ziel war die Spracherweiterung durch formale Zwänge. Queneau (1903-1976) wurde durch seinen von Louis Malle verfilmten Roman "Zazie in der Metro" breiteren Kreisen bekannt. Nun sind seine unter der deutschen Besatzung entstandenen "Stilübungen" in Neu-Übersetzung erschienen.

Mit Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel konnten für diese Aufgabe zwei der führenden literarischen Übersetzer aus dem Französischen gewonnen werden. Entstanden ist ein Feuerwerk sprachvirtuoser Übungen in der Verwandlung von Sprache; ursprünglich waren es 99 Variationen, inzwischen sind noch einige hinzugekommen, die jetzt erstmals auf Deutsch zugänglich sind.

Der Ausgangstext umfasst nur wenige Zeilen, eine der Stilübungen ist "Klappentext" überschrieben, darin heißt es: "Die Handlung dreht sich um die Begegnung des Protagonisten dieser Geschichte mit einer rätselhaften Figur, die mit dem Erstbesten Streit anfängt. In der Schlussszene treffen wir erneut auf diesen mysteriösen Menschen, wie er mit der größten Aufmerksamkeit den Ratschlägen eines Freundes und Meisterdandys lauscht. Das Ganze hinterlässt einen bezaubernden, vom Romancier X mit ausnehmend glücklicher Hand scharf konturierter Eindruck." Selbstironische Worte. Es folgen atmosphärische Spielarten der banalen Geschichte, Anagramme und ein Distinguo, in dem Queneau den rhetorischen Begriff auf Spiele mit Klangähnlichkeiten anwendet: "Ich sah vor der Gare Saint-Lazare (ich seh‘ nicht länger auf die Saar). . . "

Queneau spielt mit Wortveränderungen, Buchstaben-Auslassungen und -verdrehungen, aber auch einer schwindelig machenden Richtungsvariante "Von vorne von hinten". So führen die Stilübungen mit ihren selbstauferlegten Regeln gleichzeitig diese Regeln und die Macht, die von ihnen ausgeht, mit literarischen Mitteln ad absurdum. Das Ergebnis dieser "übermütig spielerischen Hommage an die Sprache und ihre Möglichkeiten ist zutiefst ernsthaft", schreiben Schmidt-Henkel und Heibert. Recht so. Queneaus Stilübungen sind l'art pour l'art im allerbesten Sinne.

Raymond Queneau: Stilübungen. Aus dem Französischen und mit einem Nachwort von Frank Heibert und Hinrich Schmidt-Henkel, Suhrkamp, 215 S., 22 €.

Lesung am 13. Oktober (19 Uhr) im Saarbrücker KuBa.

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