Arbeit oder Nilpferdpeitsche

Berlin · Das Deutsche Reich war als Kolonialmacht ein Nachzügler. Man riss sich unter den Nagel, was noch übrig war. Dieses unrühmliche Stück Nationalgeschichte zeichnet die Berliner Schau nach.

 Berliner Ausstellungsplakat von 1900. Foto: Deutsches Historisches Museum © Stiftung Stadtmuseum Berlin

Berliner Ausstellungsplakat von 1900. Foto: Deutsches Historisches Museum © Stiftung Stadtmuseum Berlin

Foto: Deutsches Historisches Museum © Stiftung Stadtmuseum Berlin

Mehr als ein Jahr lang tourten Bewohner aus Westsamoa durch das Deutsche Reich. In den Städten, in die sie 1900 und 1901 reisten, wurde überall das gleiche Plakat an Litfasssäulen und Wände gekleistert. Darauf eine verführerische Samoanerin mit einer Blüte im Haar, nackten Schultern, aber vor dem blanken Busen züngelt eine Schlange. "Unsere neuen Landsleute", stand auf dem Plakat. Die Neugierigen strömten zu den Exponaten der Schausteller von der Insel im Pazifik, bestaunten sie. Deutschland besaß eine Kolonie in der Südsee.

Wieder geht es ums Staunen. Im Deutschen Historischen Museum in Berlin (DHM) werden die Reichsflagge an einem afrikanischen Speer, die Holzstatuette eines deutschen Offiziers in Kamerun und ein Tropenhelm für Reichsbeamte gezeigt, eine Keramik-Tischuhr, eine chinesische Henkelschale und Zinnfiguren, die einen weißen Aufseher mit der gefürchteten Nilpferdpeitsche einen Schwarzen züchtigen lassen. Aber es gibt auch den Präparatekasten des berühmten Arztes Robert Koch, den er auf seiner Expedition 1906/07 benutzte, um die Schlafkrankheit zu erforschen. Bunt ist die Ausstellung, exotisch, fremd. Die Exponate stammen aus der kurzen Zeit, in der das Deutsche Reich - lange nach Briten, Franzosen, Spaniern oder Holländern - nach fremdem Land griff. Zwischen 1884 und 1914 fiel den Deutschen zu, was in Übersee übrig geblieben war: Länder in Afrika (Kamerun, Togo, Namibia, das heutige Tanganjika), Tsingtao in China, ein Teil von Papua-Neuguinea, Samoa.

Der deutsche Kolonialismus war mit Rassismus verbunden, die Kolonialherren traten rabiat auf in ihren Besitzungen, Grausamkeiten gehörten zur Festigung der Herrschaft. Zudem sollte sich die Übernahme lohnen, vor allem wirtschaftlich. Es gab die Plantagenwirtschaft mit deutschen Aufsehern und die bäuerliche Landwirtschaft der Einheimischen, die den Handel in Gang bringen sollte. Man suchte nach Erzen und anderen Metallen, aber es kam nicht viel heraus. Unterm Strich war die Kolonialepisode ein teures Unternehmen, das Staat und Volkswirtschaft belastete. Protestantische Missionare dagegen fuhren große Ernte ein, ganze Stämme wechselten vom Geisterglauben zum Christentum.

Auch der Analphabetismus wurde bekämpft, es gab Bildung durch Kirchenleute noch im hintersten Buschdorf. Aber die Deutschen hatten kein kolonialpolitisches Konzept: Integration zählte damals nicht, jeder blieb hinter seinem Zaun. Es sprach sich in der Heimat herum, dass Kolonisieren anstrengend war. Um die an systematische Arbeit weniger orientierten Schwarzen in Ostafrika in eine Struktur zu bringen, erfanden die Herren eine Hüttensteuer, die bar beglichen werden musste. Ein Trick, um die Einheimischen auf die Felder und in den Arbeitsmarkt zu bringen.

Der Versailler Vertrag 1919 nahm den Deutschen sämtliche überseeischen Territorien weg. Das Kolonialabenteuer hatte sich nicht gelohnt, obwohl deutsche Uniformen Kult waren und in Namibia zum Beispiel deutsches Bier, Brot und Wurst beliebt waren. Und der Ausdruck "Schweinehund" bis heute.

Der Nachteil der Ausstellung ist ihr Durcheinander. Was geschah, ist kaum zeitlich eingeordnet, es fehlen Porträts von Einzelpersonen und Völkern. Es gibt akademische Zwischentitel wie "Aushandlungen im kolonialen Alltag" und schlimme Verdrängungen. So wird der erste Genozid des 20. Jahrhunderts, der Herero-Aufstand 1904 in Südwestafrika, nur in sperriger Schilderschrift beschrieben. Es werden Hinterlassenschaften gezeigt, aber weniger die Zusammenhänge erklärt. Nur Fragmente eben.

Bis 14.5.; Täglich 10-18 Uhr.

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