Am Anfang war Leid, dann das Wort

Saarbrücken · Vielleicht hätte der Saarländische Rundfunk Bernd Nixdorf doch mal ein SR-Tatort-Drehbuch schreiben lassen sollen: Mit „Salli Palli“ verfasste er 1992 eine Tatort-Parodie, die ziemlich viel Witz hatte. Nun hat Nixdorf eine Fortsetzung fertiggestellt.

 Mit reichlich Zigaretten und Rotwein schrieb er 23 Jahre nach seiner SR-Tatort-Parodie „Salli Palli“ nun Teil zwei: „Marcel Palli jagt Le Sucre“: Bernd Nixdorf in seiner Saarbrücker Wohnung. Foto: Krämer

Mit reichlich Zigaretten und Rotwein schrieb er 23 Jahre nach seiner SR-Tatort-Parodie „Salli Palli“ nun Teil zwei: „Marcel Palli jagt Le Sucre“: Bernd Nixdorf in seiner Saarbrücker Wohnung. Foto: Krämer

Foto: Krämer

Es war der 16. Februar 1992, als unter dem Titel "Camerone" die fünfte Folge des Saar-Tatorts mit Kommissar Max Palü ausgestrahlt und der amerikanische Gaststar Robert Vaughn als Geheimdienstler im Hotelzimmer in die Luft gesprengt wurde. Da beschloss Bernd Nixdorf, diesen "kuriosen Kokolores" aus kruden Inhalten und lokalkolorierten Klischees nicht mehr länger kommentarlos hinzunehmen: In einem spontanen Akt der Empörung schrieb er sich seine Parodie "Salli Palli" von der malträtierten Seele. Der Ulk um Kommissar Marcel Palli, in Drehbuch-Form und saarländischer Mundart verfasst, wurde zunächst auszugsweise in Band 67 der "Saarbrücker Hefte" veröffentlicht und erschien im Herbst 1993 als Buch im Logos-Verlag. Gefolgt von einem SR-Hörspiel, in dem etliche Protagonisten der hiesigen Comedy-Szene mitwirkten, Jochen Senf sich in seiner Rolle als Kommissar selbst auf die Schippe nahm und Gregor Weber seinen Einstand als Assistent hatte.

Die Leser lachten, die Presse jubelte, doch das Leiden ging weiter: Auch nach Palüs Ablösung durch das Team Kappl & Deininger (Maximilian Brückner, Gregor Weber) hockte die saarländische Tatort-Gemeinde mit erschütternd masochistischer Leidensfähigkeit vor dem Bildschirm, um sich fremdzuschämen. Doch gerade als Hoffnung keimte und sich das Volksempfinden darauf verständigt hatte, dass die letzten Folgen "doch gar nicht soooo schlecht" gewesen seinen, wurden Brückner und Weber gefeuert. "Und dann kam Striesow", sagt Nixdorf. "Da war's dann ganz rum."

Immer wieder wurde Nixdorf seither auf sein Buch angesprochen; Versuche, eigene Tatort-Drehbücher zu lancieren, scheiterten. Als dann der Saarbrücker Blattlaus-Verlag Anfang dieses Jahres wegen einer Neuauflage seines Buchs bei ihm anfragte, verfasste Nixdorf (unter exzessivem Rotwein-Doping, wie er sagt) lieber ein Update: "Marcel Palli jagt Le Sucre" heißt die Fortsetzung, die nahtlos an den ersten Teil anknüpft und zusammen mit diesem nun als Doppelband vorliegt.

Palli kommt nach 23 Jahren zurück, um das Rätsel um einen Toten an der renovierungsbedürftigen Fechinger Talbrücke zu lösen, und das gesamte Interimspersonal steht ihm als Team zur Verfügung. Formal hat Nixdorf erneut die Drehbuchform mit flutschigen Dialogen gewählt, inhaltlich kultiviert er wiederholt einen beiläufig daher kommenden Witz und seine Vorliebe für Shakespeare und Heidegger. Privat frönt Nixdorf ebenfalls einem lakonischen Humor, außerdem der Anglophilie und dem Konsum von Zigaretten. Sein aufgeräumtes Malstatter "Penthouse" bietet einen traumhaften Balkon-Blick über Saarbrücken, und Nixdorf fühlt sich in seinem Leben Zuhause: "Ich bin rundum zufrieden. Ich mache nichts, was mir keinen Spaß macht!"

Das war nicht immer so. In den Jahren nach Salli Palli war der gebürtige Saarbrücker, Jahrgang 1961 und jüngerer Bruder des berühmten Reiters Rüdiger Nixdorf, hauptsächlich damit beschäftigt, in irgendwas reinzurutschen und sich unglücklich zu machen. Nach dem Abitur am Saarland-Kolleg, Zivildienst, einem abgebrochenen Studium der Philosophie und Psychologie war er bis 2000 beschäftigt bei der Sozialpsychologischen Forschungsstelle für Entwicklungsplanung und danach selbständig im Bereich Layout und Webdesign. Zwischendurch quälte er sich bei einem Reiseveranstalter, kämpfte zunehmend mit Depressionen und kehrte der Schriftstellerei von 1995 bis 2011 komplett den Rücken. Dann die Wende. Nixdorf besann sich auf frühere "Schreibversuche". Erste Texte hatte er in den 80ern als Bassist der Band "Circle" verbrochen; gelegentlich auch Kurzprosa veröffentlicht, in der Saarbrücker "Stadtzeitung", anderen Zeitschriften und Anthologien.

In der Phase der Neuorientierung, bei der ihm der Zufall unter die Arme griff, knüpfte er Kontakt zum Saarländischen Schriftstellerverband (VS) und den "Saarbrücker Heften" - bei beiden sitzt er heute im Vorstand. Seit 2013 hat er eine halbe Stelle im Saarländischen Künstlerhaus und kümmert sich dort um Pressearbeit und die Organisation der Sparten Literatur und Musik. Den E-Bass, den er später noch in stilistisch so unterschiedlichen Formationen wie "Blady Mae", "Paint it black" oder "Tortilla Flat" zupfte, hat Nixdorf heute an den Nagel gehängt.

Gelegentlich klimpert er aber einen Küchenblues auf seiner alten Hagstrøm-Gitarre. Zwei weitere Bücher sind in Arbeit. Und "wenn ich ein Mensch wäre, der Pläne macht", sinniert Nixdorf, "würde ich wohl irgendwann nach Wales auswandern".

Buchvorstellung am kommenden Montag, 20 Uhr, im Saarländischen Künstlerhaus.

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