Legendäre Filmfirma Als Kunstblut und enge Korsette die Kinos füllten

Saarbrücken · Eine Dokumentation zeichnet die Geschichte der legendären Gruselkino-Schmiede „Hammer Films“ nach. Sie läuft am Sonntagabend  bei Arte.

 Buu! Christopher Lee 1957 in „Frankensteins Fluch“ als zusammengebastelte Kreatur – danach spielte er auch Graf Dracula.

Buu! Christopher Lee 1957 in „Frankensteins Fluch“ als zusammengebastelte Kreatur – danach spielte er auch Graf Dracula.

Foto: © Hammer Films/Hammer Films

Vampirzähne in Nahaufnahme, wogende Busen in engen Korsetten und Blut, das so rot leuchtet wie frisch gekochte Erdbeermarmelade – das waren die Insignien der britischen Produktionsfirma Hammer: Mit ihren Schauermärchen waren sie vor allem in den 1950ern und -60ern eine feste Größe und Marke.

Die schön betitelte Dokumentation „Dark Glamour“ von Jérôme Korkikian zeichnet die Geschichte der Firma flott nach. Mit der Krönung von Elisabeth II. 1953 beginnt sie, die britische Nation sitzt kollektiv vor dem Fernseher, der sich als Massenmedium durchsetzt. Die Kinos und Produktionsfirmen schauen in die Röhre. Unter ihnen eine kleine Firma namens Hammer, die sich seit den 30ern behauptet. Doch die Geschäfte laufen schlecht, und so setzt man die  letzte Hoffnung auf einen kleinen Gruselfilm in Schwarzweiß: „Schock“, der von einem Astronauten erzählt, der sich zu etwas verwandelt, das man durchaus als „shocking“ bezeichnen kann.

Der Film wird zum Hit, Hammer gibt sich ganz dem Grusel hin und holt klassische Figuren des „Gothic Horror“ aus der Gruft:  Dracula und seinen Gegenspieler Van Helsing, außerdem den chirurgisch hochbegabten, wenn auch ethisch unterentwickelten Baron Frankenstein und die Kreatur, die er aus Leichenteilen zusammenschraubt und -näht. Diese Paare werden gespielt von Peter Cushing und Christopher Lee, den prägenden Darstellern Hammers. Sie geben den Filmen ihre Würde und Klasse mit, die ansonsten wenig zimperlich sind in Sachen Blut, Gewalt und Erotik.

Filmhistoriker Marcus Hearn fasst den Aufschwung der Firma so zusammen: Mit „Schock“ kam der Horror, mit „Frankenstein“ die Farbe, mit „Dracula“ der Sex. Für Regisseur John Carpenter kam als Amerikaner noch eine britische Komponente hinzu: „Mit englischem Akzent klang das Ganze viel seriöser und ernster.“

Eine Zeitlang geht alles gut: Die Firma arbeitet vor sich hin, in liebevollen, auf alt getrimmten Bauten, bis ausgerechnet ein Engländer in Amerika den Horrorfilm revolutioniert: Alfred Hitchcock mit „Psycho“. Die Angst lauert jetzt in der Gegenwart (und in der Dusche). Hammers Schauermärchen wirken auf einmal altmodisch; die Firma steuert mit ein paar Psycho­thrillern der Jetztzeit gegen, aber das ist nicht ganz ihr Terrain. Auch mit der Steinzeit versuchen sie es: „Eine Million Jahre vor unserer Zeit“ konfrontiert Raquel Welch im Fell-Bikini mit Plastikdinosauriern. Und „Die sieben goldenen Vampire“ kreuzt Blutsaugerei mit Fernost-Karatekino – bei mäßigem Erfolg.

Der größte Nagel wird 1973 in Hammers Sarg geklopft: „Der Exorzist“ schockiert mit Tabubrüchen, wird ein enormer Hit – und ist eine Eigenproduktion des US-Studios Warner Brothers, das bisher die Hammer-Filme mitfinanzierte. Jetzt weiß Warner selbst, wie es geht, und dreht den Geldhahn ab. Hammer müht sich noch ein paar Jahre ab, 1979 entsteht der letzte Film. 2007 kaufen Investoren die Marke (und das lukrative Filmarchiv), und Filme wie „The Woman in Black“ entstehen, die weniger auf Schocks setzen denn auf guten alten Schauer.

Mehr Laufzeit als seine schnell vergänglichen und vergnüglichen 55 Minuten hätte man der Doku gewünscht, es wird viel gerafft; der Hammer-Neuanfang wird zwar erwähnt und mit ein paar Filmausschnitten bebildert, aber viel erfährt man nicht. Eine Fortsetzung oder auch eine 90-Minuten-Fassung auf DVD wären sehr willkommen.

Sonntag, 21.55 Uhr, Arte.

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