„The Rhythm Section“ auf Bluray und DVD Ist Rache süß? Hier ist sie ziemlich bitter

Saarbrücken · Die Produzenten der James-Bond-Filme legen mit „The Rhythm Section“ ein düsteres Action-Drama mit weiblicher Hauptfigur vor – eine Art Anti-Bond?

 Blake Lively als Stephanie.

Blake Lively als Stephanie.

Foto: Leonine/Bernard Walsh

Mitte der 1960er war James Bond ein Popkultur-Mythos von Beatles-Dimensionen. Jede noch so kleine Filmfirmen-Klitsche warf preisgünstige 007-Imitate mit ähnlich potenten Agenten auf den Markt. Ausgerechnet da brachte einer der damaligen Bond-Produzenten, Harry Saltzman, der 007-Figur möglicherweise etwas müde, eine Art Anti-Bond drei Mal ins Kino: den kassenbebrillten  Agenten Harry Palmer (Michael Caine), der, ganz anders als Bond, seine Vorgesetzten herzlich verachtete, seinen Beruf gleich mit. Und Mozart hörte er auch noch. Drei Filme entstanden mit dieser Gegenfigur zu Bond „Ipcress  Streng geheim“ (1965), „Finale in Berlin“ (1966) und „Das Milliarden-Dollar-Gehirn“ (1967) – über ein paar Harry-Palmer-TV-Filme in den 1990er mit Caine im Karrieretief betten wir den Mantel des Schweigens

Nun legt die Bond-Produktionsfirma Eon mit den Köpfen Barbara Broccoli und Michael G. Wilson, ein Familienbetrieb, der sich seit Jahrzehnten fast ausschließlich um Bond kümmert, einen Nicht-007-Film vor, in dem es auch um Spionage geht – erneut ein Gegen-Bond wie einst Harry Palmer? „The Rhythm Section“ führt wie 007 an Schauplätze in aller Welt, es gibt einige Action. Und doch geht der Film, der bei uns auf DVD und Bluray erscheint,  in eine ganz andere Richtung, bemüht sich spürbar um grimmigen Anti-Glamour. Wo Bond meist in südlicher Sonne an einem Martini nippt, gibt es hier schon fast symbolisch eine Tasse schwarzen Tee aus einem alten Becher im vernieselten Schottland.

  Die Rächerin und ihr Ausbilder, gespielt von Blake Lively und Jude Law.

Die Rächerin und ihr Ausbilder, gespielt von Blake Lively und Jude Law.

Foto: Leonine/Bernard Walsh

In Tanger beginnt der Film, eine Frau (Blake Lively) schleicht sich in einer maroden Wohnung an einen Mann im Rollstuhl heran, hält ihm eine Pistole an den Kopf, zögert. Dann springt der Film acht Monate zurück, nach London, wo sich die Geschichte der Frau aufblättert: Stephanie heißt sie, ein Wrack zwischen Drogen und Prostitution. Ihre Familie ist bei einem Flugzeugabsturz gestorben, das eigene Leben aus den Fugen geraten und am Ende – bis ein Journalist ihren Kontakt sucht: Er besitzt Informationen, dass der Absturz ein Anschlag war –  und der Journalist kennt den Namen des Bombenbauers. Den versucht Stephanie zu töten, scheitert und bringt ihn so auf die eigene Spur: Der Journalist wird ermordet, Stephanie kann gerade noch nach Schottland fliehen, zum Kontaktmann des Journalisten, einem in Ungnade gefallen britischen Spion (Jude Law) – das zumindest sagt er und versucht nun, die Angeschlagene zumindest soweit auszubilden, dass sie bei ihrem geplanten Rachfeldzug nicht gleich scheitert.

Zugegeben: Diese Prämisse  des Films muss man hinnehmen und glauben, auch wenn es nicht ganz leicht fällt. Doch dann erweist er sich als ambitioniertes Actiondrama mit einigen Zwischentönen. Ähnliche Konstellationen gab es bereits in Filmen wie „Nikita“, „Atomic Blonde“ oder in den „Kingsman“-Filmen, in denen ein Londoner Prolo, so hart kann man es sagen, zum Edel-Spion gemacht wird. Doch in „The Rhythm Section“ (der Titel spielt auf eine Übung an, den Körper in einer Stress-Situation zu beruhigen) wird die Hauptfigur nicht zur Super-Agentin: Stephanie scheitert oft, lädt auch Schuld auf sich; das Abarbeiten einer Todesliste, die sie zum Kopf des Anschlags führen soll, fällt ihr schmerzhaft schwer – wo Actionszenen in „Atomic Blonde“ kunstvoll choreografiert sind und in „Kingsman“ das Töten zu einem zynischen Jux wird, ist die Rache von Stephanie eine  schmerzhafte, mühsame Angelegenheit mit einigen seelischen Nachwirkungen.  

 Blake LIvely.

Blake LIvely.

Foto: Leonine/Bernard Walsh

Der Film von US-Regisseurin Reed Morano stellt die Seelenqual der Hauptfigur einigen gelungenen Action-Szenen gegenüber – eine lange Autojagd ohne sichtbaren Schnitt aus Beifahrer-Perspektive ist herausragend. Darstellerin Blake Lively agiert in diesen Szenen mit vollem Körpereinsatz, ansonsten bleibt sie auf Distanz, es gibt keine tränenreichen Monologe, Stephanie ist angeschlagen und verhärtet, fast mechanisch wirkt sie bisweilen, wie eine Rachemaschine. Ein Action-Blockbuster mit einladender Identifikationsfigur und Katharsis am Ende ist das nicht – was wohl auch den Misserfolg in den US-Kinos erklärt. Schade um diesen ambitionierten Film.

 Das Finale in Marseille.

Das Finale in Marseille.

Foto: Leonine/JOSE HARO

Erschienen bei Leoline. Extras: einige wenig interessante Interviewschnipsel und zwei kurze, aber sehenswerte Berichte über die Konzeption der Autojagd und das Filmfinale in Marseille.

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