Hommage an Ingrid Caven Die Diva in der Zauberkiste

Saarbrücken · „Mélodie! Maladie! Mélodram!“ – Ein musikalischer Abend über Ingrid Caven in der Saarbrücker Sparte4.

 Ingrid Caven 1987 bei einem Liederabend.

Ingrid Caven 1987 bei einem Liederabend.

Foto: dpa/Karin Panknin

„Eine Hommage an eine Saarbrückerin“, wie dieser Abend zu Ingrid Caven im „Unter-unter“-Titel auf der Staatstheater-Webseite heißt, hätte man sich wohl anders vorgestellt. Eine Schauspielerin, die am Klavier lehnt und abwechselnd ihre Lieder singt und aus ihrem Leben erzählt. Doch wird man mit dieser Art einer geheimnisvollen Diva gerecht, umschwärmt von Männern, die vom Erschaffen von Fiktionen lebten und das Drama liebten? Regisseure wie Werner Schröter, wie Daniel Schmid, wie Rainer Werner Fassbinder, der sie nicht nur zu seiner Muse machte, sondern sogar heiratete, Fassbinder-Komponist Peer Raben, der ihr Lieder schrieb. Oder wie Jean-Jacques Schuhl, der aktuelle Lebenspartner der heute 80jährigen Wahl-Pariserin, der mit dem Roman über ihr Leben seinen einzigen Literaturpreis, den Goncourt, den höchsten Frankreichs errang.

Es schien am Freitagabend bei der Premiere in der Saarbrücker Sparte 4 zunächst, als wolle Autor-Regisseur Sébastien Jacobi mit seinem Stück „Mélodie! Maladie! Mélodrame!“, frei nach Texten von Schuhl und Schmid, in die Fußstapfen all dieser Musen-Macher treten. Kaum taucht seine Ingrid Caven (Verena Bukal) zu Anfang am Bühnenrand auf, stecken Männer sie in eine Zauberkiste, durchbohren sie mit Stöcken und lassen sie wieder verschwinden. Umstellt von Männern, Wiedergänger jener Großkünstler, bleibt Jacobis Caven fast in der ganzen ersten Hälfte des Stücks. Als eitle Gecken, Ali Berber im hautengen Goldpailletten-Dress und Bernd Geiling im Dandy-Anzug, reden und pseudo-philosphieren sie ohne Unterlass mit der Caven am Tisch, mehr noch über sie hinweg, über Kunst und die Welt und sich selbst.

Merke: Jacobi gibt dem Affen Zucker, auch durch seine Bühneninstallationen. Nur schemenhaft gewahrt der Zuschauer die Protagonisten, die sich mit einem Selfiestick selbst filmen, vor sich auf einem Gazevorhang als Projektione. Im Hintergrund leidet die Diva in nachgedrehten Schwarz-Weiß-Spielfilmen. So eingesponnen in Mythen und Verklärungen ist die echte, die wahre Caven, erst im zweiten Teil zu fassen. Dann, wenn sie von ihrer Burbacher Kindheit, ihren Hautallergien erzählt, in jener Holzkiste vom Anfang, notdürftig mit Mullbinden versorgt.

Doch es trügt der Schein: Inszeniert uns Jacobi hier doch die Caven als „La Paloma“, als schöne Mumie im Sarg, aus Daniel Schmids Kameliendamen-Film. Der ganze Abend ist voller Zitate und Anspielungen auf Filme, bis hin zur „Orlacs Händen“, mit denen der formidable Pianist Christoph Iacono (bekannt aus Jacobis „Reiser! Reise!“) bisweilen spinnengleich auf die Tasten klöppelt. Nichts ist echt, vieles trashig. Doch haben wir, hat die Caven nicht Authentizität verdient? „Warum?“ scheint uns Jacobi entgegenzuhalten. Warum wollen wir die Diva, die das Spiel mitgespielt hat, unbedingt entkleiden?

Aber was ist mit Gesang? Gibt es keinen? Doch, doch, und wie! Verena Bukal verleiht der Caven nicht nur darstellerisch eine ganz wunderbare, zerbrechlich feminine Erscheinung, in der doch mehr Stärke und Selbstbewusstsein steckt, als man annahm. Als Sängerin läuft sie erst recht zur Hochform auf. 15 Caven-Chansons darf sie singen, mit genau der richtigen Portion Drama und Schwermut, die ähnlich wie bei Piaf so klingen, als sänge sie um ihr Leben. Wenn die Bukal zum Mikro greift und ganz bei sich wirkt, darf man sich an diesem bisweilen doch anstrengend überdrehten Abend entspannt zurücklehnen und „La Caven“ genießen.

Weitere Termine: 14., 19., 30. November, 20 Uhr. Karten gibt es unter:
Tel. (06 81) 30 92 486.

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