Gebärdensprache Laschet, Baerbock, Scholz – noch sind sie ein Rätsel

Berlin · Die Namen der drei Kanzlerkandidaten stellen Gehörlose jetzt vor eine besondere Herausforderung.

 Eine Dolmetscherin für Gebärdensprache (rechts) übersetzt die Worte von RKI-Leiter Lothar Wieler. Bei den drei Kanzlerkandidaten Baerbock, Laschet und Scholz stehen die Gebärdensprachler vor neuen Herausforderungen.

Eine Dolmetscherin für Gebärdensprache (rechts) übersetzt die Worte von RKI-Leiter Lothar Wieler. Bei den drei Kanzlerkandidaten Baerbock, Laschet und Scholz stehen die Gebärdensprachler vor neuen Herausforderungen.

Foto: dpa/Annegret Hilse

Als Angela Merkel (CDU) die politische Bühne betrat und dann Karriere machte, waren es zunächst die hängenden Mundwinkel. Doch das fanden viele in der Community beleidigend. Wenn also Gebärdensprachler heute Merkel zeigen wollen, wird kanzlerinnengerecht eine Denkhaltung dargestellt, „Merken“ gebärdet. Auch deutet man ihre Frisur an. Ganz so einfach ist es nun aber mit ihren potentiellen Nachfolgern im Kanzleramt nicht.

In Deutschland leben rund 80 000 Gehörlose, 16 Millionen Menschen sollen schwerhörig sein. In manchen Ländern wie den USA gehört es inzwischen zum Standard, dass bei politischen Ereignissen parallel mit Zeichen und Mundbewegungen übersetzt wird. Hierzulande ist die Gebärdensprache langsam auf dem Vormarsch - seit Corona werden beispielsweise Ministerauftritte in der Bundespressekonferenz im TV-Sender „Phönix“ mit Händen und Mimik gedolmetscht. Im anstehenden Wahlkampf dürfte sich der Trend fortsetzen, hoffen jedenfalls die Betroffenen.

Nun fragt sich die Szene freilich nicht: „Was nun?“, sondern: „Wie nun?“ Wie lassen sich die Nachnamen der Kanzlerkandidaten Laschet, Baerbock und Scholz übersetzen? „Momentan gibt es für alle drei Kandidaten noch keinen Konsens und auch keine wirklichen Gebärdenideen“, so Wille Zante vom Deutschen Gehörlosenbund zu unserer Redaktion. „Baerbock“ wörtlich zu übersetzen, ergebe in Gebärdensprache keine besonders flüssige Umsetzung. Bei  Scholz und Laschet fehlten zudem klare politische oder persönliche Merkmale, da die beiden Namen selbst zu wenig eindeutig seien.

In den nächsten Wochen wird freilich kein Gremium über die Gebärde für die drei Politiker entscheiden. Vielmehr etabliert sich das Handzeichen dann als Standard, das in der Community irgendwann am häufigsten für die Kanzleraspiranten benutzt wird. Die Betroffenen kreieren es sozusagen selbst. „Ich vertraue da auf den offenen und demokratischen Austausch innerhalb der Community“, so Zante. Herauskommen kann auch eine Eigenschaft, die erst im Wahlkampf bei genauerer Beobachtung der Kandidaten sichtbar wird.

Auch in den USA gab es ein ähnliches Problem. So stellte sich beim neuen US-Präsidenten Joe Biden heraus,  dass eine Variante identisch war mit einem Handzeichen des Klu-Klux-Klans. Eine andere Gebärde orientierte sich an Bidens schwarzer Sonnenbrille, war dann aber wohl eine zu oberflächliche Deutung. Die Gehörlosen-Community in den USA habe sich sehr aktiv damit auseinandergesetzt, berichtet Zante. „Meines Wissens gibt es bislang für Biden noch keine Gebärde, das kann sich aber jederzeit ändern.“

Und wie sieht es bei anderen deutschen Politikern aus? Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth hat etwa einfach „rot“ als Namensgebärde, obwohl es von ihrer Parteizugehörigkeit ein Widerspruch ist. Bei Roth überwiege aber die Erkennbarkeit anhand des lautsprachlichen Nachnamens, erläutert Experte Zante. Altkanzler Gerhard Schröder habe unter Bezug auf seine „kipplige“ Haltung die Gebärde für „Zweifel“. Sein früherer grüner Kompagnon Joschka Fischer wurde als „Fisch“ gezeigt. Stellt sich noch die Frage, warum bei Angela Merkel eigentlich nicht ihre berühmte „Raute“ verwendet wurde. Antwort: In der Gebärdensprache kann die Raute auch für „Vagina“ stehen.

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