Mut haben im MudamSurreale Sandwiches: Aktuelle Ausstellungsprojekte im Mudam

Luxemburg. "Es ist uns sehr wichtig, dass das Publikum das Museum annimmt", bekennt Mudam-Direktor Enrico Lunghi angesichts von 16 Jahren Polemik und Vorurteilen gegenüber dem 88-Millionen-Bau mit einem Jahresetat von 6,5 Millionen Euro

Luxemburg. "Es ist uns sehr wichtig, dass das Publikum das Museum annimmt", bekennt Mudam-Direktor Enrico Lunghi angesichts von 16 Jahren Polemik und Vorurteilen gegenüber dem 88-Millionen-Bau mit einem Jahresetat von 6,5 Millionen Euro. Vorurteilen vor allem unter den Luxemburgern: "Es gibt hauptsächlich in Luxemburg Menschen, die einfach nicht kommen, weil sie eine negative Meinung über das Museum haben." Hinzu komme, dass man hier eine junge Museumslandschaft habe, erklärt er. Bis in die 1990er Jahre gab es in Luxemburg nur das Museum für Kunst und Geschichte. Da ging man als Schüler hin und später nie wieder, weil sich dort nichts veränderte. "Das Mudam ist das genaue Gegenteil davon, und das muss vermittelt werden", fügt er hinzu: "Man kommt drei- bis viermal im Jahr ins Museum, und es ist immer anders."Bei Lunghis Amtsantritt 2009 standen die Zeichen auf Konsolidierung: "Ich hatte den Vorteil, die Situation zu kennen. Das war notwendig und sehr wichtig, um das Mudam in der intellektuellen, kulturellen und gesellschaftlichen Landschaft zu verwurzeln." Lunghi hatte als Mitarbeiter am Luxemburger Museum für Kunst und Geschichte angefangen und übernahm 1995 - dem Jahr, als Luxemburg europäische Kulturhauptstadt war - das dortige Casino, das seitdem als Forum für zeitgenössische europäische Kunst gilt. Den gewünschten "Mehrwert" liefern ihm nicht die großen Namen, die andernorts Publikumserfolg garantieren: "Es geht um etwas Einzigartiges, nicht um etwas Beliebiges." Und das für möglichst viele. Geboten werde im Mudam ein "Gesamtpaket", das Gebäude, Museumscafé und viele Aktivitäten umfasse. "Und dann seh' ich auch noch Kunst dazu", kommentiert Enrico Lunghi ganz pragmatisch.

Sein Ziel bleibt dabei, alle Generationen anzusprechen - von den "Mudaminis" über die jugendlichen "Art Freaks" bis hin zu den "Mudamis", den Freunden des Museums. Deren Zahl ist bereits auf 500 angewachsen. Das verlangt Raum und Zeit, weshalb Lunghi die Öffnungszeiten änderte. Statt früher nur mittwochs, hat man nun drei Tage lang (Mi, Do und Fr) bis 20 Uhr geöffnet. Was die Gelegenheit eröffnet, mit "Wednesday(at)Mudam" im Schnitt 100 Freunde der Elektroklänge anzulocken oder in der Mudam-Akademie zu Vorträgen zu laden. Im Freigelände soll im "Hortus Praxis" beim Dauergärtnern der "Austausch lokalen Wissens" stattfinden, hinzu kommt mit "Many spoken Words" (in Anspielung auf den Tintenbrunnen der Luxemburger Biennale-Preisträgerin Su-Mei Tse) eine Performance- und Lesungsreihe.

Der Erfolg des Anfang Juli gefeierten Fests zum fünften Jahrestag der Museumseröffnung war für Lunghi eine Bestätigung seiner Arbeit. So mancher versicherte ihm, dass er zum ersten Mal hier war und wiederkommen will: "Wir wachsen: 50 000 Besucher 2009, 2010 hatten wir 60 000. Damit sind wir das einzige Museum in Luxemburg, in dem die Zahlen steigen", erinnert er. Damit steht sein Arbeitsauftrag für die nächsten fünf Jahre: "Eine große Sammlung, ein originelles Programm, einen guten Überblick über die zeitgenössische Kunstentwicklung: Wenn man all das wahrnimmt, haben wir sehr gute Arbeit gemacht."Luxemburg. Aktuelle Themen so aufzubereiten, dass sie populär, aber nicht populistisch daher kommen, zeichnen die Ausstellungen im Mudam aus. So lockt der dauerzwitschernde Riesenwald aus Vogelkäfigen und Papierschredder des in Gent lebenden Kameruners Pascale Marthine Tayou in die hohe Vorhalle. Kurator Enrico Lunghi kalkuliert bei Tayous Installation "home sweet home" mit dem Schauwert des Konsumschrotts. Dahinter lauert die Frage nach der Identität inmitten einer alle Unterschiede zwischen den Kulturen aufhebenden weltumspannenden Zivilisation. Auch das hauseigene Kuratorenteam ist längst auf diesen Mudam-Mix eingeschworen und hat vier Ausstellungen um das Thema Bild, Wahrnehmung, Fiktion, Dokumentation in Szene gesetzt. Allen voran die beiden Tatorte von Mac Adams. Zwei Installationen mit auf einem Acker liegenden Motorrad und einem verwüsteten Badezimmer laden zum Erfinden der zugehörigen Geschichte ein. Zur Stärkung reicht John Stezaker im Nachbarraum surreale Sandwiches in Gestalt von Collagen, Montagen von Filmszenen und Filmstarporträts. Zur Ruhe kommt die aufgeheizte Wahrnehmung in der auf Langsamkeit setzenden Foto- und Filminstallation von Melvin Moti, während die Sammlung von hauseigenen Videos rund um das Verhältnis von Fiktion und Dokumentation in "Out of Storage III" sie wieder auf Hochtouren bringt. sg

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