Mordswut unterm Cordhut

Saarbrücken · „Pelzig stellt sich“ – mit diesem Programm war am Montagabend Erwin Pelzig in der Congresshalle in Saarbrücken zu Gast. Er widmete sich ganz der Politik und der (schlechten) Welt an sich.

Viel fürs Geld bekommt man bei ihm. Pünktlich um 20 Uhr schlurft Erwin Pelzig mit Cordhut und Herrenhandtasche auf die Bühne der nahezu ausverkauften Congresshalle - drei Stunden später lüftet die Kunstfigur Pelzig ihren Hut, wird somit wieder zu ihrem Erfinder/Darsteller Frank-Markus Barwasser und geht ab. Anfangs wird er beklatscht, am Ende gefeiert.

Denkt er an Deutschland in der Nacht, da wird dem Franken Pelzig bang ums Herz unter dem karierten Hemd. So schlecht ist die Welt, findet er, dass man sie sich schönreden und -denken muss: die Wahlen etwa oder die Große Koalition oder die Genossen, "die alten Sozen". Denn "die haben den Verstand verloren", allen voran SPD-Chef Gabriel, dessen Vornamen Pelzig in herrlich plattwalzendem Fränkisch "Siiiiechma" ausspricht. Vielbelacht werden diese Passagen eines Programms mit enormer Textmenge und hoher Gagdichte. Per Tombola lost Pelzig einen neuen Bundespräsidenten im Publikum aus, flachst mit seinem Bühnentechniker, der den Eintrittspreis auf die gespielte Zeit umrechnet. Gute Nummern sind das.

Aber nicht selten baut die Figur Pelzig, betrachtet sie die "Bollidigg", auf sichere Lacher, aufs Bewährte: Politiker sind unfähig, Bänker betrügen, Berlusconi ist ein "Drrrreggsagg", die FDP charakterlos. Das bringt viel Konsens-Applaus, ist flott und mit Gespür für Timing vorgetragen, sonderlich originell aber nicht - was Barwasser/Pelzig in einem ironischen Moment selbst kommentiert: "Das ist die Geschäftsgrundlage dieses Abends: Ich erzähle, was in der Welt schlecht ist, und Ihr wackelt mit dem Kopf und sagt: ‚Genau!'."

Vielleicht hat sich Pelzig so auch nur warmgeredet, denn die zweite Hälfte nimmt an Schärfe zu und die sicheren Schenkelklopfer deutlich zurück. Fast atemlos spielt er den rasanten Dialog von Pelzig mit zwei Stammtisch-Bekannten - virtuos gemacht - und steigert sich am Ende in einen Stakkato-Monolog: über Religion, Märtyrer, die Macht der Medien, die Macht der Märkte, deutschen Rüstungsexport, Armut, Arbeitslosigkeit. Da glaubt man durchaus einen heiligen Zorn und eine Mordswut zu verspüren, Pelzig und sein Erfinder Barwasser scheinen da zu verschwimmen. Der Höhepunkt eines langen, guten Abends.

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