Mord im Nachtclub

Saarbrücken · Was hat ein Stummfilm mit Live-Musik bei den „Tagen Alter Musik im Saarland“ (Tamis) verloren? Alljährlich gerät Joachim Fontaine aus dem Leitungsteam in Erklärungsnot. Dabei fügt sich sein Konzept stimmig ins Gesamtprogramm: Fontaine möchte historische Aufführungspraxis erfahrbar machen – mittels eines authentischen Kintopp-Besuchs wie anno dunnemals, der den ästhetischen Stellenwert des Stummfilms als eigenständige Kunstform betont und ein vergessenes Repertoire hochwertiger Gebrauchsmusik wiederbelebt.

 „Piccadilly“ wurde 1929 von Ewald André Dupont gedreht. Joachim Fontaine rekonstruierte die Filmmusik aus Quellen. Foto: Tamis

„Piccadilly“ wurde 1929 von Ewald André Dupont gedreht. Joachim Fontaine rekonstruierte die Filmmusik aus Quellen. Foto: Tamis

Foto: Tamis

Nach zwei eher dünn besuchten Film-Abenden in den vergangenen beiden Jahren war nun die Vorstellung von "Piccadilly" ("Nachtwelt", Großbritannien 1929) am Montag mehr als ausverkauft - im "Schauplatz"-Saal des Saarbrücker Filmhauses mussten etliche zusätzliche Klappstühle beigestellt werden.

Der überwiegend gelbgetonte spannende Schwarzweiß-Streifen (Regie: Ewald André Dupont) schildert Aufstieg und Ermordung eines chinesischen Küchenmädchens in einem Londoner Nachtclub. Die versierte Klavierbegleitung übernahm Fontaine selbst und stützte sich dabei nicht auf die romantische Tradition der Leitmotiv-Technik, sondern auf originale Stimmungsmusiken, die er in jahrelanger Archivsuche zusammengetragen hat. Einleitend präsentierte er - auch dies früher gängige Praxis, um Zuschauer anzulocken - mit der Sopranistin Noemi Schröder Revue- und Schlagerhits von Robert Stolz, Walter Kollo und anderen. Trotz Heiserkeit schlug sich Schröder tapfer, indem sie sich in tiefere Stimmlagen flüchtete. Riesenapplaus.

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Auf einen BlickDie weiteren Tamis-Termine: Heute, 20 Uhr, Schinkelkirche Bischmisheim: "Les Gentillesses de Monsieur de Boismortier" mit dem Ensemble Uccellini; Morgen, 20 Uhr, Stiftskirche St. Arnual: SR-Studiokonzert "Carl Philipp Emanuel Bach zum 300. Geburtstag" mit dem Bach Consort Leipzig; Fr, 14. März, 20 Uhr, Christuskirche (Sb): "Tears of Melancholy" mit dem Ensemble "Les Violes"; Sa, 15. März, 20 Uhr, Stiftskirche: "Leipziger Thomaskantoren vor Bach" mit dem Ensemble VocArt und dem Saarl. Barockensemble; So, 16. März, 18 Uhr, Evangelische Kirche Saarlouis: Abschlusskonzert ("Matthäuspassion" von Johann Valentin Meder) mit "Génération baroque", Straßburg. Infos und Karten: www.alte-musik-saarland.dekek

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