Mitten ins Herz

Es ist ein Angriff auf alles, was Frankreich ausmacht: sein savoir vivre, seine Lebensfreude, seine Geselligkeit. Die Attentäter des 13. November haben das Herz der Gesellschaft getroffen. Junge, weltoffene Leute, die am Freitagabend Spaß haben wollten.

Nach der Anschlagserie im Januar hatten Experten gewarnt, dass viel schwerere Angriffe folgen könnten. Damals richtete sich die Gewalt noch gegen einzelne Gruppen: die Journalisten der Satirezeitung "Charlie Hebdo ", die jüdischen Kunden eines Supermarkts. Am Freitagabend jedoch war ganz Frankreich das Ziel. Es war ein blindes Gemetzel in Bars und Restaurants, in einem Konzertsaal.

Mindestens drei der jungen Männer, die da mit Sprengstoffgürteln ihr blutiges Werk verrichteten, waren Franzosen. Einer von ihnen ist ein arbeitsloser Sohn von Einwanderern, der sich radikalisierte und womöglich in Syrien zur Tötungsmaschine ausgebildet wurde. Die Kouachi-Brüder, die im Januar "Charlie Hebdo " angriffen, hatten ein vergleichbares Profil. Sie gehören zu jener muslimischen Parallelgesellschaft in den Vorstädten, der Frankreich den Krieg angesagt hat.

Sie kämpfen auf der Seite des Islamischen Staats, jener Ex tremistenorganisation, die Menschen enthauptet und Kulturdenkmäler zerstört. Fanatiker, von denen sich viele Pariser nicht einschüchtern lassen wollen. Zu Hunderten kamen sie gestern zu den Anschlagszielen, um der Toten zu gedenken. "Sie schwankt, aber sie geht nicht unter", lautet das Motto der Stadt. Es müsste auch das Motto für ganz Frankreich sein, das mit den jüngsten Anschlägen seinen 11. September erlebte.

Zusammenstehen sollen die Franzosen jetzt, forderte Präsident François Hollande . In einer höchst seltenen Geste berief er beide Parlamentskammern zusammen ein, vor denen er heute sprechen will. Doch selbst mit diesem historischen Auftritt im Schloss von Versailles wird Hollande den Schulterschluss nicht schaffen. Schon direkt nach den Anschlägen war klar, dass die Opposition diesmal nicht stillhalten wird. Deren Wortführer Nicolas Sarkozy fordert bereits mit markigen Worten, sich Russland zum Partner zu nehmen in diesem Krieg gegen den IS. Er hofft, ebenso von den Ereignissen zu profitieren wie die Rechtspopulistin Marine Le Pen .

Die ganze Welt hat am Wochenende in Blau-Weiß-Rot ihre Solidarität mit Frankreich gezeigt. Doch Frankreich wird mehr fordern als ein Brandenburger Tor in den Farben der Trikolore. Das Land braucht Unterstützung in seinem Kampf gegen den Terror. Unterstützung, die wohl auch mehr militärisches Engagement einschließen wird - von den USA, aber auch von Deutschland. Und die Partner können sich nicht verweigern. Schließlich geht es um die Werte der westlichen Welt: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort