Mit Ritalin ins Büro

Saarbrücken · Die Krankenkasse DAK hat die Daten von rund 31 700 erwerbstätigen Mitgliedern im Saarland auswerten lassen. Untersucht wurde unter anderem, warum Menschen für den Job dopen.

Ein wichtiges Verkaufsgespräch, der erste große öffentliche Auftritt, Kunden, die einem schlaflose Nächte nicht anmerken dürfen oder ein hektischer Lebensalltag zwischen zwei Jobs, der Betreuung der Kinder und der Pflege der Eltern - unter anderem aus diesen Gründen haben bis zu 64 000 Saarländer in ihrem Leben schon mal zu verschreibungspflichtigen Medikamenten gegriffen, die nur zur Therapie bestimmter Erkrankungen eingenommen werden dürfen. Das stellt der Gesundheitsreport der Krankenkasse DAK heraus, der gestern in Saarbrücken vorgestellt wurde.

Aus diesem sogenannten "Hirndoping" - dem Missbrauch von Arzneien - versprechen sich die Verwender höhere Leistungsfähigkeit, weniger Nervosität und Stimmungsaufhellung. Berufstätige nutzen Präparate wie Ritalin, die zur Behandlung von Hyperaktivität verschrieben werden, zum Beispiel, um wacher zu sein. Das Gleiche gilt für Medikamente, die normalerweise bei Alzheimer-Demenz eingesetzt werden. Gesunde schlucken sie, um ihr Gedächtnis zu verbessern. Doch "oft zeigen diese Medikamente bei Gesunden nur kurzfristige und minimale Effekte auf die kognitive Leistungsfähigkeit", sagt Michael Hübner, DAK-Landeschef im Saarland.

Längst nicht alle Menschen, die schon mal diese Medikamente zweckfremd eingenommen haben, sind Wiederholungstäter. Umgerechnet auf alle Arbeitnehmer im Saarland haben laut DAK-Report 35 700 Menschen - inklusive Dunkelziffer 64 000 - wenigstens ein Mal im Leben Hirndoping betrieben. Das sind 6,9 Prozent der Bevölkerung. In den vergangenen zwölf Monaten griffen rund 16 700 saarländische Erwerbstätige zu diesen Mitteln (3,2 Prozent). 9000 Arbeitnehmer (1,7 Prozent) betreiben Hirndoping regelmäßig. Letztere sind meistens keine Top-Manager, sondern Otto-Normal-Erwerbstätige.

Auch wenn Doping am Arbeitsplatz kein Massenphänomen ist, könnte die Zahl der Betroffenen in den nächsten Jahren steigen. "Die Arbeitswelt wird immer schneller getaktet, viele Beschäftigungsverhältnisse sind unsicher und auch private Belastungen wie die Pflege eines Angehörigen steigen", erklärt Monika Vogelgesang, Chefärztin der AHG Klinik in Münchwies und Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie. Länger durchzuhalten und dem Leistungsdruck standzuhalten, seien oft der Grund zum Tablettenmissbrauch .

Doch verschreibungspflichtige Medikamente - die zu rund 53 Prozent von einem Arzt verschrieben und zu 14 Prozent von Kollegen oder Verwandten bezogen werden - sind nicht die einzigen Substanzen, die für Hirndoping genutzt werden. Wenn man die Arbeitnehmer dazuzählt, die auf nicht verschreibungspflichtige Medizin oder illegale Drogen zurückgreifen, um den beruflichen Alltag zu meistern, dürfte die Dunkelziffer noch höher liegen.

Zum Thema:

Auf einen blickDer Krankenstand im Saarland lag 2014 laut DAK-Gesundheitsreport bei 4,4 Prozent. Das sind 0,1 Prozent weniger als im Vorjahr, aber mehr als im Bundesdurchschnitt (3,9 Prozent). Ein Arbeitnehmer fehlte im Saarland an durchschnittlich 16,1 Tagen. Am meisten leiden die saarländischen Beschäftigten an Problemen des Muskel-Skelett-Systems (21,1 Prozent). An zweiter Stelle stehen psychische Erkrankungen wie Depressionen (18,8 Prozent). hem

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